Religion im Iran – Zwang oder Glaubensfreiheit?

Weltgeschehen

Religion im Iran – Zwang oder Glaubensfreiheit?

Von Mostafa Elyasian

 

Während der Regierungszeit des Schahs (bis 1979) war der Iran ein freies und starkes Land in der Welt und auf dem Weg zu einem modernen Staat. Die Menschen lebten ohne schwerwiegende Probleme, die Frauen mit und ohne Kopftuch, die Religionen existierten friedlich nebeneinander – gleich ob Muslime, Christen, Zoroastrier, Juden, Bahai oder Menschen ohne Glauben, bis vor 40 Jahren der im Ausland lebende (Großajatollah Chomeini) in den Iran zurückkehrte und die Macht übernahm. Vor seiner Ankunft hatte er in zahlreichen Botschaften an die Iraner versprochen, dass er einen freiheitlichen islamischen Staat errichten würde, in dem alle Menschen und Religionen in Freiheit leben könnten. Mit diesen Versprechungen hat er die meisten Iraner für seine Politik gewonnen. Aber kurz nach seiner Machtübernahme brach er seine Versprechen und begann, einen strengen islamischen Staat aufzubauen. Seine rechte Hand (Sadeq Chalchali) ließ die früheren Anhänger des Schahs (der Pahlavi-Regierung), Gegner der Islamischen Revolution und verschiedene politische und religiöse Gruppen wie die Volksmudschahedin und die Bahai zu Tausenden ermorden.

Die größte Zahl an Hinrichtungen wurden im Laufe des Juli und August 1988 durchgeführt. Diese Taten geschahen heimlich. Die Opfer wurden in bis heute unbekannten Massengräbern verscharrt. Der Hidschab (langer Mantel und Kopftuch) wurde zur Pflicht für alle Frauen. Auf den Straßen kontrollierten spezielle Sittenwächter die Kleidung der Frauen. Bei Nichteinhaltung der Vorschriften mussten die Frauen Kurse besuchen oder wurden sogar ausgepeitscht. Im Extremfall wurde manchen Frauen Säure ins Gesicht gespritzt. Die Tore der Kirchen wurden geschlossen. Die Anhänger christlicher und anderer religiöser Minderheiten wurden geschlagen, ihr Eigentum zum Teil konfisziert und ihnen wurde das Leben in vielfältiger Weise erschwert. Am meisten litten die Anhänger der Bahai-Religion. Sie hatten viel Tote zu beklagen. Ihre Geschäfte wurden geschlossen. Jede Handelstätigkeit wurde ihnen untersagt. Die Jugendlichen durften kein Abitur machen und konnten keine Universität besuchen.

Nach dem Tod Chomeinis ging die Macht an (Ali Chamenei) über. Er war und ist genauso wie Chomeini ein Diktator und gab den Auftrag zu vielen Hinrichtungen. In den letzten Jahren sind besonders viele junge Menschen ermordet worden. Auch der Druck auf die Bahai wurde unter seinem Regime noch größer.

Die Bahai-Religion ist die größte religiöse Minderheit im Iran, die seit 40 Jahren nicht als eigenständige Religion anerkannt wird. Der Religionsstifter Bahaullah (Herrlichkeit Gottes) wurde im Iran geboren. Sein Anspruch ist, dass er der Gesandte Gottes für das jetzige Zeitalter in der Reihe der monotheistischen Religionsstifter wie Abraham, Moses, Buddha, Zarathustra, Christus und Mohammed ist. Bahaullah hat im Jahr 1863 seine Offenbarung bekannt gemacht. Weltweit leben mehr als sieben Millionen Bahai in 235 Ländern und Territorien. Somit ist die Bahai-Religion nach dem Christentum die geografisch am weitesten verbreitete Religion.

Die Bahais glauben an einen einzigen Gott und sehen in den „Offenbarern“ die Vermittler zwischen Gott und den Menschen. Die Hauptziele sind die Einheit der Menschheit und der Weltfriede. Das setzt voraus, dass die Bahai allen Religionen im Geiste der gegenseitigen Anerkennung und des Friedens begegnen. Keine Religion ist besser als andere, sondern sie alle sind Mitglieder einer Familie. Die Bahai lehnen jegliche Vorurteile ab – seien es religiöse, auf die Hautfarbe bezogene oder ethnische.

Ein Hauptprinzip der Bahai-Religion ist die Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Denn vor Gott sind Mann und Frau gleich. Die Bahai haben in allen Erdteilen „Häuser der Andacht“, in die Anhänger aller Religionen eingeladen werden, nach ihren heiligen Schriften zu beten. Um die Häuser der Andacht sollen verschiedene soziale Einrichtungen errichtet werden, die dem Wohle der Menschheit dienen sollen. Die Bahai-Religion beansprucht, eine Weltreligion zu sein. In verschiedenen Erdteilen wurde die Bahai-Religion als jüngste Weltreligion anerkannt. Das zentrale Verwaltungsorgan und die höchste Körperschaft der Bahai-Weltgemeinde ist das „Universale Haus der Gerechtigkeit“ mit Sitz in Haifa (Israel). In Deutschland wurde 2013 die Bahai-Religion als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt.

Die Bahai im Iran haben alle Pflichten eines Staatsbürgers – wie Militärdienst, Steuerzahlung – aber nur stark eingeschränkte Rechte. So dürfen die Jugendlichen ein Gymnasium nur bis zur 11. Klasse besuchen und können deshalb nicht auf die Universität gehen. Bei der Registrierung eines neugeborenen Kindes wird gegen den Willen der Eltern als Religion „Islam“ eingetragen. Wer sich im Iran vom Islam abwendet, zählt als Abtrünniger und unterliegt nach der iranischen Scharia der Todesstrafe. Die Regierung behauptet, dass die Bahai Spione Israels sind und die Ordnung des Landes gefährden. Deshalb wird ihnen das Leben überall sehr erschwert. Erfreulicherweise ist Deutschland eines der Länder, die das Leben der Bahai schützen und die Bahai-Religion anerkennen. Die in Deutschland lebenden Bahai fühlen sich wohl und leben in Sicherheit.

Dieser Artikel spiegelt die persönlichen Sichtweisen und Erfahrungen unseres tünews-Redakteurs Mostafa Elyasian – er stammt aus dem Iran – wider. Selbstverständlich gibt es auch andere Betrachtungsweisen der Situation und der Geschehnisse im Iran vor und nach der Islamischen oder Iranischen Revolution von 1979. Diese in tünews INTERNATIONAL darzustellen, laden wir hiermit gerne ein.

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