Täglich elf Stunden arbeiten bei 45 Grad

Archäologie

Täglich elf Stunden arbeiten bei 45 Grad

Von Michael Seifert

„Tübinger Archäologen entdecken einen 3500 Jahre alten Palast im Norden des Irak“ – diese Schlagzeile ging vor kurzem durch die Presse. Sameer Ibrahim, Mostafa Elyasian und Michael Seifert von der TüNews International-Redaktion besuchten die Leiterin der Ausgrabung Ivana Puljiz in ihrem Büro im Dachstock von Schloss Hohentübingen.

Sie berichtet: „Im September letzten Jahres konnten wir ganz spontan mit einer Rettungsgrabung in der Provinz Dohuk im kurdischen Nordirak beginnen. Der Palasthügel wurde schon 2010 entdeckt – bei Geländebegehungen der Antikendirektion von Dohuk. Dabei wurden auch Reste von Wandmalereien gefunden. Deswegen war klar, dass es sich um einen wichtigen Fundort handeln musste. Der Hügel oberhalb des Tigris war dann aber lange vom Wasser des Mossul-Stausees überflutet. Letzten Sommer zog sich das Wasser wegen der Trockenheit zurück und die Ruinen wurden frei. Im August haben wir noch nicht gewusst, dass wir im September dort ausgraben würden. Wir wussten auch überhaupt nicht, was uns erwartet, um welche Kultur es sich handeln würde.“ Die Tübinger und die irakischen Wissenschaftler von der Kurdistan Archaeology Organization in Dohuk arbeiteten zusammen in einem Kooperationsprojekt, in das auch die Philologin Betina Faist von der Universität Heidelberg zur Untersuchung von Tontafeln mit Schrift eingebunden wurde. „Wir waren alle sehr gespannt!“

„Wir fanden die Überreste eines Palastes, die mindestens sieben Meter hoch erhalten sind“, so Puljiz. „Im Inneren des Palastes konnten wir mehrere Räume identifizieren, von denen wir acht teilweise freilegten. Was wir ausgegraben haben, datiert in die Zeit des Mittanischen Reiches, das ungefähr von 1500 bis 1350 vor Christus bestand. Das Mittani-Reich ist eines der am wenigsten erforschten altorientalischen Reiche“, erläutert Puljiz weiter. „Wir wissen, dass diese Kultur eine der Großmächte der späten Bronzezeit war. Sie haben eine riesige Region beherrscht, die von Syrien bis in das Ost-Tigrisland im Irak gereicht hat. Wir kennen mehrere Städte und auch Paläste, die zu diesem Staat gehörten. Viele Dinge sind aber noch völlig unklar, zum Beispiel wie das Verhältnis der Provinzen zum Kerngebiet war. Das Mittani-Reich war in Kontakt und Konkurrenz mit den andren Großmächten dieser Zeit, den Hethitern, den Ägyptern und den Babyloniern.“

Was passiert jetzt mit dem Palast? Lässt er sich irgendwie konservieren? Ivana Puljiz antwortet: „An eine Konservierung des Fundortes ist im Moment nicht zu denken, so lange die Ausgrabungen nicht beendet sind. Wir haben ja nur einen kleinen Teil des Palastes ausgegraben. Und er wurde im Winter auch gleich wieder durch die Niederschläge überflutet. Aber das Wasser schadet den Ruinen nicht, im Gegenteil, sie sind dadurch geschützt.“

Puljiz bereitet sich bereits auf ihre nächste Irakreise vor und hofft, im Herbst weitergraben zu können. „Wir wissen aber nicht, ob dies möglich sein wird, im Moment ist der Grabungsort wieder vollständig von Wasser bedeckt.“ Puljiz‘ eigentliches Forschungsprojekt, das gänzlich unabhängig vom Wasserspiegel des Mossul-Stausees ist, befasst sich mit dörflichen Siedlungen im 2. Jahrtausend vor Christus in Nordmesopotamien. Dazu gräbt sie einen kleinen Fundort in der Provinz Dohuk aus, der nur ca. 16 km von dem mittanischen Palast entfernt ist.

Als Iraker weiß Sameer, dass es im Norden Iraks um diese Zeit bis zu 45 Grad heiß ist. Wie lange arbeitet das Team bei diesen Temperaturen? „Wir arbeiten sechs Tage in der Woche immer elf Stunden lang. Aufstehen ist ab 3.45 Uhr, um 4:30 die Abfahrt zur Grabung. Von 5 bis 13 Uhr wird dort gearbeitet. Dann ist Mittagspause bis 16 Uhr, das heißt Duschen, Essen und Schlafen. Und danach noch einmal drei Stunden Dokumentation im Grabungshaus. Die über 40 Grad sind hart, aber relativ angenehm im Vergleich zum Südirak, wo Temperaturen von oft über 50 Grad herrschen.“ Die 31-Jährige mit kroatischem Migrationshintergrund freut sich auf die Grabungen in diesem Jahr und bestätigt unsere Vermutung, dass Archäologen süchtig sind nach dem jährlichen Grabungsleben im Herbst. Seit 2009 ist sie dabei, damals auf der berühmten Qatna-Grabung in Syrien, wo die Tübinger einen Königspalast mit phantastischen Funden ausgruben, bis der Krieg zum Ende der Arbeiten führte.

 

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