Ein illyrischer König im Museum in Tübingen

Von Stefan Krmnicek

In der Tübinger Sammlung befindet sich eine Münze, die uns ein Schlaglicht auf die bewegte Geschichte des Westbalkans im frühen Jahrhundert v. Chr. wirft. Das Stück dürfte somit auch für die vielen Menschen, deren Wurzeln in dieser Region liegen und in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben, besonders interessant sein.

Die Münze mit der Tübinger Inventarnummer SNG 1508 ist eine Silbermünze mit einem Gewicht von 10,49 Gramm und einem Durchmesser von knapp 22 Millimeter. Auf der Vorderseite sehen wir eine Kuh nach rechts stehen. Sie hat ihren Kopf zu einem unter ihr saugenden Kalb zurückgewandt. Im Feld oberhalb der Kuh ist die Kinnlade des Kalydonischen Ebers – ein Untier aus der griechischen Mythologie – abgebildet. Das zentrale Motiv der Rückseite lässt sich am ehesten als Ornament von Sternen oder Pflanzen in einem zweifachen Rechteck beschreiben. Um diese Darstellung verläuft der Schriftzug ΒΑΣΙΛΕΩΣ ΜΟΝΟΥΝΙΟΥ („des Königs Monounios“) und Δ bzw. Υ („DY“) in griechischen Buchstaben.

Anhand der Umschrift können wir den Münzherrn dieser Prägung identifizieren: Es handelt sich um einen gewissen König Monounios. Nur wenige historische Fakten sind über Monounios bekannt, seine Münzen sind die einzigen direkten Hinterlassenschaften. Aus späteren Schriftquellen des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. können wir zumindest die allgemeine politische Situation am Westbalkan zur Zeit des Monounios grob rekonstruieren. Er war ein lokaler illyrischer Herrscher, dessen Macht und Einfluss in der Region um 280 v. Chr. offensichtlich so groß war, dass er sich sogar außenpolitisch in die Konflikte zwischen den hellenistischen Großmächten Epirus und Makedonien einmischen und im Zuge der keltischen Migrationsbewegungen engagieren konnte. Die Illyrer bildeten in der Antike neben den Griechen und Thrakern die dritte große Bevölkerungsgruppe am Balkan. Womöglich ist in diesem Kontext der Fund eines Bronzehelms mit beweglichen Wangenklappen am Ohridsee zwischen dem heutigen Albanien und Nordmazedonien zu interpretieren. Eine Inschrift im Nackenschutz deutet darauf hin, dass der Helm (heute in der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin: SMB-digital | Helm) von einem Soldaten des Königs Monounios getragen wurde.

Rückseite einer Silbermünze des illyrischen Königs Monounios, Tüb. Inv. SNG 1508. Foto: Stefan Krmnicek, Universität Tübingen.Die Münzen sind weitere wichtige Quellen für die Rekonstruktion des territorialen Macht- und Einflussbereichs des Monounios. Unsere Münze wurde, wie der Abkürzung ΔΥ in der Legende der Rückseite zu entnehmen ist, in Dyrrhachion, dem heutigen Durrës in Albanien, geprägt. Mit ihrem Bildschema folgt die Münze unverändert den bisherigen Münztypen der Stadt. Der einzige Unterschied zu den älteren Serien besteht darin, dass der Name des Herrschers und sein Titel als König in der Umschrift hinzugefügt wurden. Besonders spannend ist dabei zu sehen, wie der aus der nicht-griechischsprachigen Peripherie stammende Illyrer Monounios mit der Nennung eines griechischen Königstitels auf der Münze seinen Anspruch als gleichberechtigter Herrscher neben den altehrwürdigen griechischen Herrscherdynastien in Epirus und Makedonien Geltung verlieh. Anders als die hellenistischen Könige seiner Zeit ließ Monounios allerdings keine Münzen mit seinem Porträt schlagen, sondern beließ es dabei, nur seinen Namen zu einer schon länger bestehenden städtischen Prägeserie hinzuzufügen. Nach dem Tod des Monounios scheint Dyrrhachion wieder die Unabhängigkeit erlangt zu haben. Die Stadt prägte den gleichen Münztyp weiter, jedoch ohne den Namen des Königs, sondern mit der Nennung von städtischen Beamten.

Die Münzen aus dem antiken Albanien, besonders die Prägungen aus Apollonia und Dyrrhachion sind ein Spezialgebiet der Tübinger Sammlung seit ihrer Begründung durch Carl Siegmund Tux im späten 18. Jh. Das hier vorliegende Stück wurde im Dezember 1905 in der Münzhandlung Brüder Egger in Wien für Tübingen erworben. Noch mehr antike Münzen sind im Museum Alte Kulturen der

Universität Tübingen auf Schloss Hohentübingen zu besichtigen. Die vorliegende Münze ist auch in Zeiten von Corona und geschlossenen Museen bzw. für alle Interessierte außerhalb Tübingens kostenfrei unter https://www.ikmk.uni-tuebingen.de/object?id=ID3806 im Digitalen Münzkabinett des Instituts für Klassische Archäologie virtuell zu bewundern.

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Vorderseite einer Silbermünze des illyrischen Königs Monounios, Tüb. Inv. SNG 1508. Foto: Stefan Krmnicek, Universität Tübingen.

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