Besuchsvisa werden oft abgelehnt: „Wie ein Schlag in den Magen“

Von Oula Mahfouz und Ute Kaiser

Die syrischen Großeltern in der Türkei hatten einen sehnlichen Wunsch: Ihre in Deutschland lebenden Kinder und deren Kinder zu sehen und endlich in die Arme zu nehmen. Der 71-jährige Großvater und die 63-jährige Großmutter kennen ihre Enkel im Schulalter bisher nur von Fotos und Videoanrufen. Die Familie ist seit ihrer Flucht aus Syrien getrennt – schon sechs Jahre lang.

Alle Familienmitglieder leiden unter Trennungsschmerz, sagt die in Tübingen lebende Tochter Hanin (Name geändert). Plötzlich tauchte für sie „ein Licht am Ende des Tunnels“ auf. Die Familie hoffte auf ein Wiedersehen in Deutschland. Der älteste Bruder, ein Bauingenieur, beantragte ein auf 90 Tage begrenztes Besuchsvisum. Bang warteten alle wochenlang auf die Entscheidung der deutschen Botschaft in Istanbul. Hanin klammerte sich an die Hoffnung, dass der Wunsch der Eltern erfüllt werde. Die potenzielle Gastgeberin begann, den Besuch des Vaters und der Mutter zu planen und vorzubereiten.

Der Brief der Botschaft war für die in Deutschland lebenden vier Geschwister „wie ein Schlag in den Magen“. Die Botschaft schrieb: „Es bestehen begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit Ihrer Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaats auszureisen.“ Damit war der Antrag für ein Schengen-Visum abgelehnt. Obwohl alle Bedingungen erfüllt waren. Bei der Entscheidung zählte offenbar nicht einmal, dass eine Tochter mit den Eltern in der Türkei lebt und dass das ein Grund für deren Rückkehr dorthin ist. Die Ablehnung von der Botschaft in Istanbul stürzte die Tochter in Tübingen in tiefe Verzweiflung. Das Nein nahm ihr fast alle Energie und Lebensfreude.

So geht es nicht nur dieser Familie im Kreis Tübingen. Das zeigt eine nicht repräsentative Umfrage unter Geflüchteten. tünews wollte es genau wissen. Wir fragten das Auswärtige Amt in Berlin, wie viele Besuchsvisa für Deutschland Geflüchtete beantragt haben und wie viele Visaanträge abgelehnt worden sind. Das Auswärtige Amt kann diese Frage nicht beantworten. Die Begründung der Pressestelle: „Da es für die Antragsbearbeitung von Besuchsvisa unerheblich ist, wen der Antragstellende besuchen möchte, werden neben den Adressdaten in Deutschland keine weiteren Daten des Gastgebers erhoben oder statistisch erfasst.“ Deshalb sagen die zahlreichen veröffentlichten Visa-Statistiken des Auswärtigen Amtes über diese spezielle Frage nichts aus.

Zahlen hat auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl nicht. Doch das Thema Besuchsvisum komme „in Beratungsgesprächen häufiger vor“, sagt Peter von Auer. Der Jurist ist rechtspolitischer Referent von Pro Asyl. Ein Visum mit dem Argument der angeblich fehlenden Rückkehrbereitschaft abzulehnen sei „übliche Praxis“ – auch wenn es um Besuche aus familiären Anlässen wie Hochzeiten oder Geburtstage geht. Der Referent sieht diese Praxis als „ganz großes Problem“ an. Pro Asyl bedauere das sehr.

Die Tübinger Tochter löste für sich das Problem und konnte ihre Eltern tatsächlich sehen. Hanin ist seit Kurzem Deutsche. Sie hat kurzentschlossen ein Ticket gebucht und ist in die Türkei geflogen. „Aber es gibt viele Geflüchtete, die nicht so viel Glück haben“, sagt sie. Für die seien „die Türen aller Länder der Welt“ verschlossen. Hanin versteht nicht, warum aus ihrer Sicht bei den Visa-Anträgen „die menschlichen Gesichtspunkte nicht berücksichtigt werden“. Sie wünscht sich sehnlich, dass die deutschen Botschaften konstruktiv nach Lösungen suchen würden. Dann, so ist sie sich sicher, werde sich dies „positiv auf die Psyche der Betroffenen und auch auf ihre Fähigkeit zur Integration auswirken“.

Ausführliche Informationen zu Visa und Antworten auf häufig gestellte Fragen gibt es unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/visa-und-aufenthalt und

https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/fragenkatalog-node/-/606772

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Flughafen Stuttgart. Foto: tünews INTERNATIONAL / Mostafa Elyasian.

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