Von Michael Seifert
Die neue Bundesregierung, die aus der sogenannten „Ampelkoalition“ der Parteien SPD, „Bündnis 90/Die Grünen“ und FDP gebildet wird, hat ihre Pläne für die nächsten vier Jahre in einem Koalitionsvertrag beschrieben. Darin finden sich auch die politischen Absichten für Migration, Integration und Flüchtlingspolitik. Die Realisierung dieser Pläne soll in Gesetzen und Gesetzesänderungen erfolgen. Was davon und wann tatsächlich umgesetzt wird, weiß im Moment niemand. Es handelt sich also um Absichtserklärungen.
tünews INTERNATIONAL hat sich den Koalitionsvertrag genauer angesehen. Die neue Regierung formuliert als Ziel: „Wir wollen einen Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik gestalten, der einem modernen Einwanderungsland gerecht wird.“ Dafür müsse die bisherige Politik vollständig neu gedacht werden.
Beispielsweise soll „das komplizierte System“ der Duldungen verändert werden. Die Regierung will dadurch „neue Chancen für Menschen schaffen, die bereits ein Teil unserer Gesellschaft geworden sind.“ Gut integrierte Jugendliche sollen nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland und bis zum 27. Lebensjahr die Möglichkeit für ein Bleiberecht bekommen. Für besondere Integrationsleistungen von Geduldeten sollen Einzelpersonen und Familien ein früheres Bleiberecht bekommen. Geduldeten in der Ausbildung und in Arbeit sollen mehr Rechtssicherheit durch eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Bei Problemen der Klärung der Identität von Personen soll die Möglichkeit einer „Versicherung an Eides statt“ geschaffen werden.
Die Fristen für die Niederlassungserlaubnis und die Einbürgerung sollen verkürzt werden: auf drei bzw. fünf Jahre. Für eine möglichst rasche Integration sollen alle Menschen, die nach Deutschland kommen, von Anfang an Integrationskursen teilnehmen können.
Auch die Asylverfahren will die Regierung reformieren: „Sie müssen fair, zügig und rechtssicher ablaufen. Wir wollen schnellere Entscheidungen in Asylprozessen sowie eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung und werden dazu zügig einen Gesetzentwurf vorlegen.“ So seien beispielsweise die Entscheidungen des BAMF qualitativ zu verbessern und Widerrufsüberprüfungen für Asylberechtigte nach drei Jahren sollten nur noch aus berechtigten Gründen erfolgen.
Die Familienzusammenführung soll erleichtert werden, z.B. für subsidiär Geschützte. Außerdem: „Wir werden beim berechtigten Elternnachzug zu unbegleiteten Minderjährigen die minderjährigen Geschwister nicht zurücklassen.“
Andererseits wird eine „Rückführungsoffensive“ angekündigt, „um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern. Der Bund wird die Länder bei Abschiebungen künftig stärker unterstützen.“ Die freiwillige Ausreise habe aber stets Vorrang. Die staatliche Rückkehrförderung für Menschen ohne Bleiberecht soll finanziell besser ausgestattet werden. Für einzelne Herkunftsländer soll ein temporärer nationaler Abschiebestopp ermöglicht werden.
Eine gemeinsame europäische und internationale Flüchtlingspolitik soll durch „eine grundlegende Reform des Europäischen Asylsystems“ geschaffen werden, für die sich die neue Regierung einsetzen will: „Unser Ziel ist eine faire Verteilung von Verantwortung und Zuständigkeit bei der Aufnahme zwischen den EU-Staaten. Wir wollen bessere Standards für Schutzsuchende in den Asylverfahren und bei der Integration in den EU-Staaten. Wir wollen irreguläre Migration wirksam reduzieren und Ursachen für die lebensgefährliche Flucht bekämpfen. Wir wollen die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen beenden.“
Schließlich will die Regierung Lehren aus dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ziehen: „Wir werden unsere Verbündeten nicht zurücklassen. Wir wollen diejenigen besonders schützen, die der
Bundesrepublik Deutschland im Ausland als Partner zur Seite standen und sich für Demokratie und gesellschaftliche Weiterentwicklung eingesetzt haben.“ Gefährdete Ortskräfte und ihre engsten Familienangehörigen sollen durch unbürokratische Verfahren in Sicherheit kommen – durch humanitäre Visa für gefährdete Personen und digitale Vergabeverfahren. Zum Nachlesen im Koalitionsvertrag auf den Seiten 137 bis 142: 2021-12-10-koav2021-data.pdf (bundesregierung.de)
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Im Reichstagsgebäude in Berlin tagt der deutsche Bundestag. Foto: tünews INTERNATIONAL / Mostafa Elyasian.