tünews INTERNATIONAL: Fast wie die FAZ für Geflüchtete

Von Wolfgang Sannwald
„Also das ist praktisch eine überregionale Zeitung, wie die FAZ.“ Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte bei seinem Redaktionsbesuch am 16. August 2022 bei tünews INTERNATIONAL keine Scheu vor großen Namen und zog den Vergleich mit der renommierten deutschen Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Bei so viel Schmeichelhaftem konnte ich nur schmunzeln: „Ja, genau der richtige Vergleich, Herr Kretschmann …“ Allerdings vermittelten sechs weitere Nachfragen des baden-württembergischen Regierungschefs, dass wir tünews INTERNATIONAL besser erklären müssen. Das, was tünews INTERNATIONAL ausmacht, lässt sich nicht einfach durch Vergleiche beschreiben, nicht einmal durch einen Vergleich mit der FAZ.
Ich stellte Kretschmann unseren Medienbetrieb tünews INTERNATIONAL ausführlicher vor. Der produziert täglich Online-News in den Sprachen Deutsch, Englisch, Arabisch und Persisch, seit Juli 2022 auch einige auf Ukrainisch. Etwa fünf Millionen Abrufe der Homepage pro Jahr zeigen meines Erachtens, dass wir mit unserem Konzept Bedürfnisse vieler Geflüchteter bedienen: Diejenigen Redaktionsmitglieder, die selbst nach Deutschland geflohen sind, benennen konkrete Fragen und Themen, die für ihren Alltag und der ihrer Bekannten aktuell wichtig sind. Denen recherchieren sie gemeinsam mit Journalisten-Coaches nach, fragen unter anderem bei Behörden wie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (BAMF) oder der Bundesanstalt für Arbeit (BfA) oder bei Verbraucherverbänden. Die Auswahl vertrauenswürdiger Quellen ist ein Leitprinzip und Basis für Journalismus. Brigitte Gisel, Journalisten-Coach bei tünews, sagte Kretschmann, dass die Suche nach verlässlichen Quellen derzeit bei einigen Ukraine-Themen eine große Herausforderung ist. Geflüchtete und Journalisten-Coaches verfassen aufgrund der Recherchen Meldungen. Diese News übersetzen dann Redaktionsmitglieder in die vier oder fünf Sprachen.
Apropos Papierzeitung, Kretschmann interessierte sich auch dafür, ob tünews INTERNATIONAL ausschließlich online erscheint. 2015 hängten wir tatsächlich noch lokale und überregionale Informationen auf Wandzeitungen in Flüchtlingsunterkünften aus. Dann veränderte Corona 2020 tünews INTERNATIONAL nachhaltig. Ich war ab dem 15. März im Homeoffice, die meisten Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion ebenfalls im Lockdown zuhause. Innerhalb von zwei Wochen bauten wir mit unserem Administrator Ademola Adetunji unsere Homepage um, erste aktuelle Meldungen erschienen nach zwei Tagen online. In zwei Monaten zählten wir bereits 400.000 Abrufe auf www.tuenews.de. Dem Ministerpräsidenten erläuterte ich: „Wir wussten, da gibt es jetzt viele Menschen, die genauso wie wir eine Flut von Informationen zu Corona verarbeiten müssen und dann auch noch in einer fremden Sprache. Denen wollten wir helfen.“ Seitdem verbreiten wir pro Tag vier bis zwölf selbst erarbeitete Inhalte übers Internet. Das ist Tagesjournalismus. Die Zugriffe auf die Meldungen kommen fast alle über die Google-Suche. An den Ministerpräsidenten: „Wenn Sie in Google einen arabischen Begriff aus diesem Alltagsbereich eingeben, ist die Chance sehr groß, dass tünews als erstes gerankt ist.“ Außerdem verbreiten wir Informationen über die INTEGREAT-App an über 25 Städte, Gemeinden und Landkreise. In den Sozialen Medien nutzen wir bislang Facebook. Für die Ukraine ist jetzt Instagram erforderlich, das machten unsere beiden Ukrainisch-Redakteurinnen klar.
Kretschmann fragte mehrfach nach und erfuhr, dass wir nicht nur eine „lokale Zeitung“, sondern eine „insgesamt für Geflüchtete“ sind. Tatsächlich verfassen und veröffentlichen wir News dazu, wenn in Rottenburg das Ausländeramt Öffnungszeiten ändert. Eine solche Meldung hat meist etwa 3000 Abrufe auf Arabisch. Das zeigt uns in etwa den Umfang der hiesigen Klientel, denn das Thema interessiert niemanden in Dortmund oder anderswo. Wir veröffentlichen aber auch sehr viele Informationen mit einer generelleren Aussagekraft. Die Nachfrage danach ist viel größer und wir erkennen ein zumindest deutschlandweites Interesse. Ein zweiter Schwerpunkt unserer Publikationen sind kulturelle Themen, mit denen wir ein wechselseitiges Kennenlernen und damit Verständnis füreinander fördern wollen. Diese Beiträge nennen wir Reportagen. Sie haben noch größere Reichweite. Wenn der Kollege Youssef Kanjou zum Beispiel über die Museen in Aleppo schreibt und wie es da jetzt aussieht, erzeugt das weltweit Abrufe im arabischen Sprachraum oder auch in den USA und hohe Abrufwerte.
Der Ministerpräsident tastete sich weiter heran: „Das ist mehr sowas wie dpa quasi, diese Nachrichtenagentur. So muss ich mir das eher vorstellen?“ Die Deutsche Presseagentur (dpa) versorgt Redaktionen mit journalistisch aufbereiteten Informationen. Auch dieser Vergleich passt allerdings nur teilweise: „Genau: dpa, aber mit einer Spezialisierung auf alltagsrelevante Informationen, von denen wir wissen: Das sind die Themen, die die Menschen brauchen, die nachgefragt sind. Dazu recherchieren wir selbst, dazu schreiben wir selbst. Wir verbreiten aber auch selbst. Das ist insofern ein bisschen anders als dpa.“
Kretschmann interessierte sich zudem für unser Bemühen um neutrale Information: „Wenn das sozusagen meinungsfreier Journalismus ist: Es gibt auch keine Kommentare?“ Das konnte ich bestätigen, wir verzichten auf Meinungsartikel. Wir interpretieren bei unseren Leserinnen und Lesern andere Bedarfe: Sie wollen nützliche Informationen für ihren Alltag. Die wollen wir ihnen bei tünews INTERNATIONAL weiterhin geben. Bei uns gibt es keine Kommentare, sondern höchstens Editorials wie dieses hier. Mit diesen Texten wollen wir Prozesse innerhalb der Redaktion öffentlich machen und uns selbst erklären. Auch wenn das trotz ehrenvoller Vergleiche manchmal nicht einfach ist.

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Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Besuch bei der Redaktion von tünews INTERNATIONAL im Landratsamt Tübingen. Foto: tünews INTERNATIONAL / Mostafa Elyasian.

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