In Erfüllung gegangen: Der Traum vom Master in Deutschland

Von Michael Seifert
„Mein Traum war schon in Syrien immer, mein Studium fortzusetzen und einen Master zu machen“, sagt Qoutayba Abboud, Mitglied der tünews INTERNATIONAL-Redaktion. Er konnte den Traum wahr machen: 2022 schloss er an der Universität Stuttgart erfolgreich sein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik mit dem Mastergrad ab. In Aleppo hat er in diesem Fach schon 2009 den Bachelor abgelegt. Nach zwei Jahren Militärdienst und einer Tätigkeit am Flughafen Latakia als Sicherheitsingenieur war ihm allerdings klar: „In Aleppo weiter zu studieren war wegen des Krieges viel zu gefährlich, zumal ich 2013 geheiratet hatte.“
Bis zum Studium in Deutschland war es noch ein weiter Weg, als sich Qoutayba mit seiner Frau und seinem einjährigen Sohn Ibrahim im September 2015 auf die Flucht machte. Die Flucht führte sie über die Türkei, über das ägäische Meer mit dem Boot zunächst nach Griechenland und dann über die Balkanroute nach Berlin, wo die drei am 5. Oktober 2015 ankamen.
„Vom ersten Tag in Deutschland an habe ich daran gedacht, meinen Traum zu verwirklichen. Die erste entscheidende Herausforderung war die Sprache, das war mir klar. Gleich am ersten Tag habe ich begonnen, die Sprache zu lernen. Ich wusste, dass ich das höchste Niveau, nämlich C 1 erreichen musste, um zu studieren“, erzählt Qoutayba. Nach Anerkennung des Asylantrags in Mecklenburg-Vorpommern und dem Umzug zu seinem Bruder nach Tübingen begann er im Juni 2016 mit einem Sprachkurs. „B1 habe ich in sechs Monaten geschafft, das war ganz gut zu machen, aber die Prüfungen in B 2 und C1 waren wirklich schwierig wie Prüfungen an der Uni“, erinnert er sich. Ende 2017 war dann auch das C1 TELC-Niveau geschafft. Erst bei der Bewerbung an der Universität Stuttgart, der einzigen in Deutschland an der man Luft- und Raumfahrttechnik studieren kann, erfuhr Qoutayba, dass er noch eine weitere Sprachprüfung vorweisen musste, nämlich C 1 TestDaF, eine speziell auf ein Studium zugeschnittene Sprachprüfung. Im zweiten Anlauf schaffte er auch das und konnte im Wintersemester 2018 endlich mit dem Studium beginnen.
Doch dann kam ein Schock: „Den ersten Studientag werde ich nie vergessen. Eigentlich war es eine große Freude für mich, aber gleichzeitig wurde mir klar, dass noch ein riesiger Berg vor mir steht. Ich habe in der ersten Vorlesung fast nichts verstanden. Es war eine Überraschung für mich, dass C1 dafür nicht ausreichte, denn ich verstand alle die Begriffe nicht.“ Aber Qoutayba gab nicht auf: „Schritt für Schritt habe ich mich vorwärts gearbeitet, am Anfang habe ich Tag und Nacht gearbeitet.“ Die Vorlesungsmaterialien im Internet übersetzte er sich Wort für Wort am PC und brauchte manchmal einen Tag für zwei Seiten. Langsam habe sich auch sein Hörverständnis verbessert und am Ende des Semesters hat er dann alle drei Prüfungen bestanden.
Der Kontakt mit einer Gruppe von Studienfreunden habe ihm sehr geholfen. Qoutayba erinnert sich, wie es dazu kam: „Einer der Gruppe hat neben mir gesessen und gemerkt, dass ich Ausländer bin, weil ich mir arabische Notizen gemacht habe. Und durch ihn habe ich dann die anderen kennengelernt. Sie waren immer sehr hilfsbereit bei praktischen Problemen und bis jetzt haben wir noch guten Kontakt.“
Das Lernen des Stoffes hat dem 37-Jährigen keine Probleme gemacht, die Grundlagen aus Syrien in Mathematik, Physik und Chemie seien sehr gut gewesen. Im Studium hat er sich unter acht Wahlmöglichkeiten auf numerische Simulation und Entwurf und Auslegung von Luftfahrzeugen spezialisiert. Beim bevorstehenden Übergang ins Berufsleben sieht er dadurch eine breite Auswahl von Berufsmöglichkeiten beispielsweise als Berechnungsingenieur und gute Chancen im Raum Tübingen/Stuttgart. Denn die rechnerische Simulation an Computern werde überall gebraucht, er denkt da besonders auch an die „Künstliche Intelligenz“. Qoutayba erklärt: „Für mich war Mathematik etwas Besonderes und ich habe immer die beste Note gehabt. Das ist eine Gabe, die von Gott gegeben wird, so bin ich auf die Welt gekommen. Dafür war ich in arabischer Sprache nicht so gut. Meine Grundschullehrerin in Mathe fragt noch immer meine Eltern, was ich heute mache.“
Qoutaybas besonderer Dank gilt seiner Frau Balquis: „Ohne sie hätte ich das nicht schaffen können, ohne ihre Hilfe wäre es nicht gegangen. Für die ganze Familie war das Studium eine große Belastung, vor allem die Prüfungsphase war für uns sehr schwierig, denn ich musste ständig arbeiten.“
Bis vor kurzem lebte die Familie mit inzwischen drei Kindern im kleinen Dorf Bebenhausen, was Qoutayba sehr schätzte: „Wir wollten Kontakt zu den Leuten haben. Inzwischen kennen wir fast alle Leute dort. Und das ganze Dorf kennt meine Kinder.“ Und seit einem Jahr ist er auch offiziell Deutscher und fühlt sich gut integriert: „Wir haben viel von hier angenommen. Wenn man will, kann man hier in Deutschland alles schaffen.“

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Qoutayba Abboud hat gerade sein Abschlusszeugnis an der Universität Stuttgart abgeholt. Foto: Balqis Alomran.

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