Warum Arabische Kalligrafie zugleich Kunst, Kultur und Identität ist

Von Oula Mahfouz
Kalligraphie oder Kalligrafie heißt wörtlich übersetzt „die Kunst des schönen Schreibens“. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus „kalos“ für schön und „graphein“ für schreiben zusammen.
Die arabische Kalligrafie ist laut Wissenschaftlern nicht nur ein Mittel zum Schreiben, sondern auch eine Kunst. Sie spiegelt die Schönheit der arabischen Sprache wider und bringt die islamische Kultur zum Ausdruck. Heute wird die arabische Kalligrafie in vielen künstlerischen und gestalterischen Bereichen verwendet.
Für die arabische Kalligrafie werden traditionelle Schreibgeräte wie Bambusrohr und Straußenfeder verwendet. Einige von ihnen werden auch heute noch zusätzlich zu den modernen Werkzeugen noch verwendet.
Die arabische Kalligrafie hat sich zu einer eigenständigen Kunstform entwickelt. Sie wird in der Innenarchitektur und Dekoration zur Verzierung von Moscheen, Gebäuden und Produkten verwendet. Auch in der Werbung, für Logos und zur Verzierung von Kleidungsstücken findet sie Einsatz. In der bildenden Kunst nutzen Kalligraphen sie zur Gestaltung ihrer Gemälde.
Ein solcher Künstler ist Reza Alekhamis. Er ist ein Kalligraf und bildender Künstler aus Ahvaz (Iran), der vor vier Jahren nach Deutschland kam und in Tübingen lebt. tuenews INTERNATIONAL befragte Alekhamis zu den Ursprüngen der arabischen Kalligrafie, ihren Arten und Werkzeugen sowie den Herausforderungen, denen sich die Kunstform stellen muss.
„Ich war schon immer von der Schönheit der arabischen Kalligrafie fasziniert“, erzählt Alekhamis. „Ich begann damit als Hobby, aber später studierte ich Kalligrafie am Institut der Künste in Ahvaz.“

„Sie“ in typografischer Thuluth-Schrift. Kalligrafie und Foto: Reza Alekhamis.

Es gibt viele Meinungen über den Ursprung und die Entwicklung der arabischen Schrift. Die arabische Schrift wurde im Laufe der Geschichte von vielen Zivilisationen und Kulturen beeinflusst, die ihre Entwicklung und Entstehung mitbestimmt haben.
Mit dem Aufkommen des Islams und der Notwendigkeit, den „Heiligen Koran“ zu kodifizieren, entstand die erste Form der heute bekannten arabischen Schrift, die Hijazi-Schrift. Diese Schrift war einfach und unstrukturiert, aber effektiv bei der Dokumentation von Texten.
Die Vervielfältigung des Korans führte zur Verbreitung der Kalligrafie in der islamischen Welt. Neue Schriftarten wurden erfunden, um den Koran schön zu schreiben. Nach dem Verbot von Menschen- und Tierbildern in vielen islamischen Sekten wurde die arabische Kalligrafie zu einem der wichtigsten dekorativen Elemente in der islamischen Kunst. Kalligrafen arbeiteten mit Künstlern zusammen, um wertvolle Kunstwerke zu schaffen.
Die arabische Kalligrafie beschränkte sich nicht nur auf das Schreiben und Kopieren von Koran und arabischen Büchern. Sie wurde auch zur Ausschmückung von Moscheen und islamischen Gebäuden, zur Verzierung von Schwertern und Schmuck sowie zur Kennzeichnung von Siegeln und Münzen verwendet. Die arabische Kalligrafie wurde so zu einem Symbol der islamischen Identität.
Im Laufe der verschiedenen Herrschaftsdynastien und dominanten geographischen Regionen hat sich die arabische Kalligrafie weiterentwickelt, und in jeder Zeitspanne entstand eine neue Art von Kalligrafie. Es gibt vierzehn Arten der arabischen Kalligrafie, aber die bekanntesten Arten sind: Kufisch, Thuluth, Naskh, Ruq’ah, Diwani, Persisch, Maghribi, Muḥaqqaq.

„Genug des Verlassens, kehrt zurück“ in typografischer Diwani-Schrift. Text, Kalligrafie und Foto: Reza Alekhamis.

Zu den Herausforderungen, mit denen Alekhamis konfrontiert war, sagt er: „Als Kind habe ich dieses Hobby am liebsten nachts ausgeübt, wenn es ruhig war. Ich hörte Musik und tauchte in diese Welt ein. Aber mein Vater war darüber nicht erfreut und sagte mir, ich solle früh zu Bett gehen. Als dann der achtjährige Krieg zwischen dem Irak und dem Iran ausbrach, musste ich mein Hobby eine Zeit lang aufgeben. In einem Krieg, in dem ein normales Leben nicht möglich ist, kann man keine Hobbys ausüben.“
In Deutschland sah sich Alekhamis besonderen Herausforderungen gegenüber: „Hier muss ich mich darauf konzentrieren, einen korrekten Text klar, lesbar und einfach zu schreiben, während bei der arabischen Kalligrafie die Schönheit im Vordergrund steht, auch wenn sie manchmal nicht lesbar ist.“
Wird die arabische Kalligrafie ihre traditionellen Methoden beibehalten oder sich auf eine neue Art und Weise weiterentwickeln? „Beides. Ich denke, die arabische Kalligrafie wird ihre traditionellen Methoden beibehalten, aber sie wird sich auf eine neue Art und Weise weiterentwickeln, um der modernen Zeit gerecht zu werden. Wir werden vielleicht eine stärkere Integration digitaler Technologien erleben, was neue Möglichkeiten für Kreativität und Innovation eröffnen wird.“
Das Lieblingswerk von Alekhamis ist ein Gemälde mit dem Titel „Wie sehr ich dich vermisse, mein Heimatland“. „In diesem Werk habe ich viele Gefühle der Sehnsucht nach meiner Heimat verarbeitet.“
Alekhamis bietet in Tübingen Kurse für arabische Kalligrafie und Logodesign an. „Ich möchte, dass die deutsche Gesellschaft die Kunst der arabischen Kalligrafie kennenlernt und sieht, dass wir nicht nur Flüchtlinge sind, sondern dass wir eine eigene Zivilisation repräsentieren und eine eigene Kultur besitzen.
Zum Schluss erwähnt er ein Zitat: „Wenn ich gewusst hätte, dass es eine Kunst namens arabische Kalligrafie gibt, hätte ich nie mit der Malerei angefangen, ich wollte die höchste Stufe der Kunst erreichen, aber ich fand, dass die islamische Kalligrafie mir um Längen voraus war.“ Alekhamis verrät den Urheber: „Es ist der berühmte Künstler Pablo Picasso, der von der arabischen Kalligrafie beeinflusst wurde und sich in vielen seiner Werke von ihr inspirieren ließ. Ob dieses Zitat nun wahr ist oder nicht, Araber haben das Recht, auf ihre Kunst stolz zu sein, weil sie einzigartig ist und sich von anderen Künsten unterscheidet“, meint Alekhamis.

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„Liebe“ in typografischer Thuluth-Schrift. Kalligrafie: Reza Alekhamis. Foto: Oula Mahfouz.

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