Die Reise der Zahlen: Von der Zeit der Babylonier bis heute

Von Oula Mahfouz
Von der Mathematik über den Handel bis hin zu Wissenschaft und Technik – Zahlen sind unverzichtbare Werkzeuge in unserem täglichen Leben. Aber wo liegt der Ursprung dieser Zahlen im Laufe der Zeit und über die Zivilisationen hinweg?
Die Anfänge der Zahlen: Babylonier und Ägypter
Die Erfindung von Zahlensystemen wird den Babyloniern um etwa 2700 Jahre vor Christus zugeschrieben. Sie entwickelten das älteste bekannte Zahlensystem, das Sexagesimalsystem, das mit 60 Zahlen rechnet und bis heute noch für die Darstellung von Zeit, Winkeln, geografischen Koordinaten und vieles mehr genutzt wird. Etwa 300 Jahre später entwickelten die Ägypter ihre eigene Methode des Zählens, die dem heutigen System ähnelt. Im dritten Jahrhundert v. Chr. führten die Inder ein Zahlensystem ein, das neun Zahlen umfasste.
Die römischen Ziffern – nicht wirklich zum Rechnen geeignet
Die römischen Ziffern haben ihren Ursprung vermutlich bei den Etruskern um 500 bis 600 v. Chr. Sie werden aus sieben Zeichen zusammengesetzt: I=1, V=5, X=10, L=50, C=100, D=500, M=1000. Diese Symbole haben sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und waren im römischen Weltreich und bis ins Mittelalter und die frühe Neuzeit weit verbreitet. Für mathematisches Rechnen erwiesen sie sich als nicht sehr praktikabel. Auch heute werden sie aber für verschiedene Zwecke immer noch verwendet, zum Beispiel bei den Stundenzahlen auf einigen Uhren oder zur Gliederung in offiziellen Texten.
Die Einführung der indischen Ziffern im arabischen Raum
Die Araber verwendeten ursprünglich Buchstaben, um Zahlen zu bezeichnen. Im Jahr 771 kam ein indischer Astronom an den Hof des abbasidischen Kalifen Abu Ja’far al-Mansur und brachte ein berühmtes Buch über Astronomie und Mathematik mit, das Siddhanta von Brahmagupta, das im Jahr 628 geschrieben wurde und diese neun Ziffern verwendete. Die Inder hatten mehrere Formen von Zahlen, und die Araber wählten eine Gruppe von ihnen aus, verfeinerten sie und bildeten Zahlen, die wir heute als indische Zahlen oder ostarabische Zahlen bezeichnen. Diese wurden von den Arabern in der Levante, insbesondere in der Hauptstadt Bagdad, verwendet: ١ ٢ ٣ ٤ ٥ ٦ ٧ ٨ ٩.
Al-Khwarizmi setzt das Dezimalsystem und die Null durch
Al-Khwarizmi (ca. 780-850 n. Chr.) war ein bedeutender Mathematiker und Astronom im Goldenen Zeitalter des Islam. Er spielte eine wichtige Rolle bei der Popularisierung des indischen Zahlensystems in der arabischen Welt. Seine Arbeit trug zur Verbreitung dieser Zahlen und des damit verbundenen Dezimalsystems bei. Al-Khwarizmi wird der Entwurf der folgenden arabischen Zahlenformen zugeschrieben: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9.
Es gibt eine schöne Theorie, wie die Formen der arabischen Zahlen zustande gekommen sind: Man sagt, dass sie die Anzahl der Winkel in jeder Zahl ausdrücken. So hat die 1 eine Ecke, die 2 zwei, die 3 drei und so weiter, ab 5 wird die Erklärung dann komplizierter, wie dieses Video zeigt: https://youtu.be/emjXGNo9AJY?si=v6JgKIwAHDvPW6PV Diese Theorie findet sich in arabischen Quellen, deren historische Glaubwürdigkeit wird aber von manchen Gelehrten angezweifelt. Trotzdem beinhaltet die Theorie eine plausible und populäre Erklärung.
Im Arabischen von Al-Khwarizmi ist die Null eine Zahl, die nur rechts von einer anderen Zahl steht und links von ihr keinen Wert hat. Al-Khwarizmi gilt auch als der erste, der die Algebra begründete, die auf mathematischen Gleichungen basiert. Das deutsche Wort „Ziffer“, das englische Wort „Cipher“ sowie das französische und englische Wort „Zero“ sind alle vom arabischen Wort „Ṣifr“ abgeleitet, das „leer“ bedeutet.
Al-Khwarizmi entwickelte auch die Wissenschaft der Arithmetik und legte in seinen Büchern die Grundlagen der Algebra. Das Konzept der „Algabr“ wurde später als Algebra bekannt. Seine Beiträge erstreckten sich auch auf Trigonometrie und Astronomie. Der Begriff „Algorithmus“ stammt von einem Begriff ab, der seine Methoden zur Lösung mathematischer Probleme beschreibt und von seinem Namen abgeleitet wurde.
Al-Khwarizmi trug zur Verbreitung des Wissens bei, indem er griechische und indische Werke ins Arabische übersetzte. Sein Einfluss prägte die Entwicklung der Mathematik im Goldenen Zeitalter des Islam.
Die arabischen Zahlen erobern Europa
Die arabischen Ziffern waren in der Levante zunächst nicht sehr beliebt, wurden aber von den Arabern in Andalusien und im Maghreb gut aufgenommen und verbreiteten sich von dort aus nach Europa und dann in die ganze Welt. Papst Sylvester II. (946-1003), der an der Universität von Al-Qarawiyyin in Fes, Marokko, studierte, brachte viele arabische Wissenschaften mit nach Europa. Er fand es schwierig, die arabischen Ziffern in Europa einzuführen, wo lateinische/römische Ziffern weit verbreitet waren, da man an die Überlegenheit der römischen und griechischen Kultur gegenüber allen anderen Kulturen glaubte und die Bedeutung der Null oder der arabischen Ziffern nicht akzeptierte. Deshalb erfand Sylvester II. eine neue Abakus-Tafel und verwendete darin arabische Ziffern.
Dann lernte der italienische Mathematiker Leonardo Fibonacci (1170-1250 n. Chr.) die Zahlen in der Stadt Bejaia in Algerien kennen. Seine Arbeit hatte einen großen Einfluss auf die Übernahme der Zahlen in Europa, und von dort aus verbreiteten sie sich durch Handel, Bücher und den europäischen Kolonialismus in den Rest der Welt. Allerdings stießen diese Zahlen anfangs auf heftigen Widerstand. Im Jahr 1299 beispielsweise gelang es den „Zählern“ in Florenz, die Statthalter davon zu überzeugen, ein Gesetz zu erlassen, das die Verwendung „neuer imaginärer Zahlen“ verbot. Mit der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert sollen sich die arabischen Zahlen dann endgültig durchsetzen. In manchen Orten wurden allerdings erst im 18. Jahrhundert die römischen Zahlen durch die arabischen ersetzt.
Die Entwicklung unserer Ziffern ist eine Geschichte der Zusammenarbeit verschiedener Kulturen und des Wissensaustauschs. Muslimische Gelehrte im Goldenen Zeitalter des Islam haben maßgeblich zur Entwicklung der Mathematik beigetragen. Sie legten den Grundstein für moderne Disziplinen wie Algebra, Geometrie und Arithmetik. Das von ihnen entwickelte arabische Zahlensystem revolutionierte die Mathematik. Bedeutende Gelehrte wie Al-Khwarizmi, dessen Werke ins Lateinische übersetzt wurden, und das Wissenszentrum Bayt al-Hikma „Haus der Weisheit“ in Bagdad spielten eine Schlüsselrolle. Ihre Errungenschaften beeinflussten nicht nur die islamische, sondern auch die ganze Welt.

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Eine Wanduhr mit arabischen Ziffern. Foto: tuenews INTERNATIONAL / Oula Mahfouz.

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