Auch Obstbäume, die in freier Landschaft auf einer Wiese stehen, haben Besitzer. Man darf also nicht einfach Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Mirabellen oder Nüsse pflücken oder vom Boden auflesen. Das wäre Diebstahl und kann bestraft werden. Es gibt aber eine Ausnahme: Wenn der Baum ein gelbes Band trägt, hat der Besitzer oder die Besitzerin den Baum zum Ernten freigegeben. Jeder darf sich dann Obst für einen Kuchen pflücken oder sich direkt am Baum satt essen. Aber: Erlaubt ist das Ernten nur ohne Leiter und nur für den Eigenverbrauch. Und auch wenn die Äpfel am nächsten Baum noch so sehr locken: Geerntet werden darf nur an dem Baum mit dem Band – alle anderen sind tabu. So steht es beispielsweise im Gemeindeboten von Nehren. Die Aktion geht auf eine Aktion des Kreises Esslingen zurück, der damit 2020 den Bundespreis „zu gut für die Tonne“ in der Kategorie Landwirtschaft gewonnen hatte. Im folgenden Jahr hatte dann das Bundeslandwirtschaftsministerium dazu aufgerufen.
Nehren, Ofterdingen und Pfullingen dabei
Die Chance, auf einen Baum mit gelbem Band zu treffen, besteht auf jeden Fall in Ofterdingen: Dort gibt die Gemeinde seit Anfang August gelbe Bänder aus. Auch in Nehren können sich Baumbesitzer seit Anfang September Kennzeichnungen abholen. In Nehren gibt es eine weitere Besonderheit: Von den gemeindeeigenen Äpfel-, Birnen und Zwetschgenbäumen dürfen alle Obst für den Eigenverbrauch ernten. Die genaue Lage der Bäume findet sich auf einer Karte, die die Gemeinde ins Netz gestellt hat:
Rathaus Nehren | Obsternte
Eine ähnliche Regelung hat Bodelshausen, dort sind die Bäume aber mit einem weiß-roten Band gekennzeichnet:
Bodelshausen Mediathek | Obstverkauf
Die Obst- und Gartenbauabteilung des Landratsamts beteiligt sich nicht an der Aktion. „Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust“, sagt Kreisobstbauberater Joachim Löckelt. Einerseits freue er sich, wenn das Ost verwertet wird. Andererseits verstehe er auch die Sorge der Baumbesitzer, dass Äste heruntergerissen werden oder illegal Nachbarbäume mit abgeerntet werden. Deshalb sei die Ausgabe der gelben Bänder Sache der Gemeinden. Im Kreis Reutlingen ist die Stadt Pfullingen schon zum 13. Mal mit „Ernten erlaubt“ dabei: Dort sind die Bändel weiß. Auch hier hat die Gemeinde eine Karte im Internet, die anzeigt, in welchen Gebieten weiße Bändel angebracht werden.
Stadt Pfullingen | Weiße Bänder
Weitere Quellen für kostenloses Obst gibt es im Internet. Die Seite www.mundraub.org bietet eine Karte, auf der freigegebene Bäume eingezeichnet. Allerdings sind die Daten offenbar teils ziemlich veraltet, wie aus den Kommentaren auf der Homepage hervorgeht. Auf der Seite www.streuobstwiesen-boerse.de bieten Baumbesitzer Bäume zum Ernten an. Außerdem lassen sich dort Kontakte knüpfen, um beispielsweise selbst eine Streuobstweise zu pachten oder zu kaufen.
Auf Streuobstwiesen wachsen alte und junge Bäume mit unterschiedlichen Obstsorten. Manche Baumbesitzer verarbeiten Äpfel und Birnen zu Saft oder lassen Schnaps daraus brennen. Streuobstwiesen sind für viele Tierarten – vor allem Insekten – ein wichtiger Lebensraum. Die Baumwiesen sind traditionell nicht eingezäunt. Die Wiesen im Neckartal, am Albtrauf und dem Rand des Schönbuchs gelten als eine der größten Streuobstlandschaften in Mitteleuropa.
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Streuobstwiese am Albtrauf. Foto: tuenews INTERNATIONAL / Martin Klaus.
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