Von Youssef Kanjou
Vier etwa vier Zentimeter große Tonplättchen mit Einritzungen könnten das bisher älteste alphabetische Schriftstück der Welt sein. Sie sind etwa 4400 Jahre alt und wurden auf dem Tell Um al-Marra östlich von Aleppo, Syrien entdeckt. Damit sind sie 500 Jahre älter als die bisher bekannten ältesten Hinweise auf ein Alphabet. Dr. Glenn Schwartz von der Johns Hopkins University, USA, präsentierte diese Ergebnisse auf der Konferenz der American Archaeological Society (AAS) im November 2024.
Sprachliche Zeichen wurden auf vier kleinen Formen gefunden, die aus getrocknetem Ton bestanden und ein kleines Loch enthielten, mit dem sie möglicherweise an etwas befestigt wurden. Sie scheinen auf Tongefäßen angebracht worden zu sein, um anzuzeigen, woher das Gefäß stammt oder wer der Besitzer des Gefäßes war. Die Funde wurden 2004 in den Einfriedungen des Grabes Nr. 4 auf dem Tell Um al-Marra östlich von Aleppo in Syrien, entdeckt. Das Grab enthält sechs Skelette – höchstwahrscheinlich Mitglieder einer wohlhabenden Familie oder der Herrscher der Stadt. Das Grab wurde dann mit der C14-Methode auf 2400 v. Chr. datiert. Gegenüber tuenews INTERNATIONAL erklärte Glenn Schwartz: „Umm el-Marra ist die größte bronzezeitliche Stätte in der Jabbul-Ebene zwischen Aleppo und dem Euphrat-Tal. Die Gräber gehörten eindeutig wohlhabenden und wahrscheinlich mächtigen Personen, möglicherweise den lokalen Herrschern. Wahrscheinlich war Umm el-Marra die Hauptstadt eines kleinen Königreichs.“ Tell Umm al-Marra ist die größte Ausgrabungsstätte im Osten Aleppos mit einer Fläche von etwa 20 Hektar. Sie stammt aus der Bronzezeit und zeichnet sich durch ihre Mauern und Tore aus, deren Spuren noch heute sichtbar sind.
Zumindest ein Wort wurde laut Schwartz bei der Entzifferung der Schriftzeichen erkannt: das Wort „Silanu“, bei dem es sich seiner Meinung nach um einen Namen handeln könnte: Silanu könnte der Absender oder Empfänger der Grabbeigaben gewesen sein, und der Tonzylinder könnte wie eine Geschenkkarte auf einem Gefäß befestigt gewesen sein.
Archäologen und Paläolinguisten haben die Zeichen seit 2021 erforscht und sind sich jetzt einig, dass der syrische Fund 500 Jahre älter ist als die bisher bekannten alphabetischen Schriftzeugnisse: nämlich das Sinai-Alphabet, das sich aus der ägyptischen Hieroglyphenschrift entwickelt hat und im neunzehnten Jahrhundert v. Chr. auf der Sinai-Halbinsel entstand, sowie das ugaritische Alphabet, das sich aus der Keilschrift entwickelt hat und in der Stadt Ugarit an der syrischen Küste entdeckt wurde. „All dies deutet darauf hin, dass das Alphabet möglicherweise eine ganz andere Entstehungsgeschichte hat, als wir bisher dachten“, erklärt dazu Glenn Schwartz.
Weitere Informationen:
Ältestes Alphabet der Welt entdeckt? – Tonscherbe aus Syrien trägt 4.400 Jahre alte potenziell alphabetische Schriftzeichen – scinexx.de
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Prof. Glenn Schwartz während der Ausgrabungssaison 2010 in Tell Umm el-Marra, Ost-Aleppo, Syrien. Foto: Youssef Kanjou.