Die Liebe hat sie zusammengeführt: eine Heirat in der Zeit von Corona

Von Sameer Ibrahim

Die Hochzeitstraditionen sind seit der Antike je nach Kultur in jeder Gesellschaft unterschiedlich. In arabischen Ländern findet eine Eheschließung erst nach dem Einverständnis der Eltern statt. Sie wird auf dem Standesamt vollzogen, zusätzlich kann es eine religiöse Zeremonie geben. Aber in der Ehe von Alhamzah und Ibtihaj – beide jünger als 30 – war es nicht so … die Liebe hat sie zusammengeführt!

Sie lebten vor der Heirat miteinander in einer Wohnung. Im Oktober 2019 planten sie, am 11. April 2020 zu heiraten. Es sollte ein großes Fest mit 350 Personen geben, aber wegen der Corona-Pandemie wurden nur 100 eingeladen.

Wie hat sich das Paar zum ersten Mal getroffen und wie sieht ihr Leben aus? Ende 2016 kam Ibtihaj aus der palästinensischen Stadt Nablus nach Deutschland, um ein Master-Studium Bauingenieurwesen in englischer Sprache in München zu beginnen. Sie hatte sich schon um eine Wohnung in München gekümmert. Als sie am Stuttgarter Flughafen ankam und sich mit dem Vermieter in Verbindung setzte, entschuldigte sich dieser und teilte ihr ohne Angabe von Gründen mit, dass die Wohnung für sie nicht zur Verfügung steht. Deshalb zog sie zunächst zu Freunden nach Tübingen.

In Tübingen verging die Zeit, ohne dass Ibtihaj ihr angestrebtes Studium machen konnte. Ihre Ersparnisse wurden immer weniger. Sie wollte nicht untätig bleiben, deshalb belegte sie einen Deutschkurs. Weil sie die vollen Kurskosten nicht bezahlen konnte, verzichtete sie auf den A1-Kurs und begann gleich mit A2. Den Sprachkurs hat sie erfolgreich bestanden. Danach konnte sie ein Studium an der Universität beginnen.

Im Deutschunterricht bewunderte Alhamzah seine Mitschülerin Ibtihaj. Er wusste damals noch nicht, dass das Gefühl gegenseitig war und sie seine Partnerin werden würde … Im Irak studierte Alhamzah Psychologie und belegte am Nationalen Musikinstitut in Bagdad Kurse im Klavierspielen. Außerdem hat er gerne und erfolgreich Gedichte geschrieben. Aufgrund der sich verschlechternden Situation wanderte er 2015 aus dem Irak aus, um sich in Deutschland, dem Land der Dichter und Denker, niederzulassen.

Alhamzah absolviert derzeit in Tübingen eine Berufsausbildung im Bereich Alltagsbegleitung von alten Menschen. Gleichzeitig will er nicht auf Musik verzichten. Alhamzah möchte gerne einen Platz unter Künstlern und Musikprofis haben. Im Irak war er ein guter Klavierspieler, aber hier in Deutschland musste er realisieren, dass es sehr viele Profis gibt und dass seine Leistungen nur wenig gewürdigt wurden. Aber dann hat er sich daran erinnert, dass der Irak als Ursprung der menschlichen Zivilisation angesehen wird und dass dort die orientalische Kastenzither, die Mutter aller arabischen Musikinstrumente, die Rolle des Klaviers einnimmt. Deshalb spielt er jetzt vorwiegend dieses in Deutschland selten zu hörende Instrument.

Alhamzah wusste lange nicht, dass er in einer Straße voller Kunst und Musik lebt. Als er wieder einmal im Wohnzimmer war, drangen Melodien an sein Ohr. Er öffnete das Fenster, um deutlicher zu hören, und versuchte herauszufinden, woher die Musik kommt. Es musste in der Nähe sein – vielleicht der Nachbar?! Er ging in die Richtung los, aus der die Musik kam und suchte nach dem Spieler. Sie lernten sich kennen, gründeten eine Band, die aus Menschen verschiedener Nationalitäten besteht, die westliche und östliche Musikinstrumente spielen. Die Band hat den Namen „Babel“ („Babylon“) und tritt bei verschiedenen kulturellen Aktivitäten der Stadt Tübingen und anderer Städte auf.

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Impressionen zum Leben in Zeiten der Corona-Pandemie: Foto: tünews INTERNATIONAL; Sameer Ibrahim, 11.04.2020

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