Eine Perlenkette erinnert geflüchtete Frauen an die schönen Erlebnisse ihres Lebens

„Die Frauen sind alle ganz unterschiedlich, und jede Frau ist so beeindruckend“, sagt Laura Gudd, Sozialarbeiterin im Asylzentrum Tübingen. Gemeinsam mit Dana Pietsch und zwei Psychologinnen arbeitet sie im Projekt „Biografiearbeit. Kultursensibles Empowerment von schutzbedürftigen und gewaltbetroffenen geflüchteten Frauen“. Biografiearbeit bedeutet, über das eigene Leben positiv zu denken und Perspektiven für die persönliche Zukunft zu entwickeln. Diese Methode wird häufig nach einem Bruch in der Lebensgeschichte angewandt, beispielsweise nach der Flucht.

Gerade Frauen, die auf der Flucht allein waren, haben oftmals Gewalt, Zwang und Situationen der Hilflosigkeit erlebt. Auch nach ihrer Ankunft in Deutschland sind sie durch das Asylverfahren ständig mit ihren Erfahrungen konfrontiert: „Viele Frauen fühlen sich darauf reduziert, Geflüchtete zu sein“, sagt Laura Gudd. Bei ihren eineinhalbstündigen Gesprächen stehen die Gewalterfahrungen der Frauen deshalb im Hintergrund. Ziel der Biografiearbeit sei es, die eigenen Stärken herauszufinden und Momente im Leben zu reflektieren, in denen sich die Frauen als stark erlebt und Herausforderungen gemeistert haben. „Die Frauen können sagen: ,Ich bin nicht nur Betroffene von Menschenhandel, ich bin auch eine gute Mutter, ich bin eine tolle Köchin, ich kann viele Sprachen sprechen, ich bin eine Sportlerin, ich habe Informatik studiert‘ oder vieles mehr.“

In den Gesprächen bestimmen die Frauen, worüber sie reden möchten. „Manche Frauen kommen zu mir und wollen überhaupt nicht über ihre Vergangenheit sprechen. Dann akzeptiere ich das und wir reden über das, was jetzt ist oder was sie sich für ihre Zukunft wünschen.“ Eine Psychologin begleitet die fünf oder mehr Sitzungen und gibt praktische Ratschläge, wenn Flashbacks, bei denen sie vergangene Ereignisse oder Gefühle nochmal erleben, oder schwere Erinnerungen hochkommen.

Im Projekt gibt es verschiedene Methoden, eine davon ist das Basteln einer Perlenkette: Die Schnur symbolisiert die Lebenslinie, jede Perle steht für ein schönes Erlebnis. „Das können Errungenschaften wie ein Schulabschluss sein oder bewegende Momente wie die Geburt des ersten Kindes.“ Das Perlenarmband nehmen die Frauen mit. In schweren Momenten können sie sich die guten Dinge in ihrem Leben vor Augen führen und so gestärkt durch ihren Alltag gehen.

Die Gespräche sind auf Deutsch, Englisch, Russisch, Französisch oder mit einer Dolmetscherin. Wer Interesse hat, kann sich an die MitarbeiterInnen des Asylzentrums Tübingen wenden. Das Projekt ist eine Kooperation verschiedener Einrichtungen, und zwar in Tübingen, Fulda, Kiel und Heilbronn. Es wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge gefördert.

Kontakt zu Laura Gudd vom Biografieprojekt im Asylzentrum Tübingen: l.gudd@asylzentrum-tuebingen.de und allgemeiner Kontakt zum Asylzentrum: 07071 – 44 115

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Impressionen zum Leben in Zeiten der Corona-Pandemie: Foto: tünews INTERNATIONAL; Hanna Sannwald, 03.09.2020

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