Von Jérôme Seibert
Am Mittwoch, dem 12. Juli 2023, sprachen vier Jugendguides im Mössinger Quenstedt-Gymnasium über die Zukunft der lokalen Erinnerungskultur. Anlass war der Besuch der Landtagspräsidentin Muhterem Aras in Mössingen als Teil ihrer jährlichen Gedenkstättenreise. Trotz sommerlicher Temperaturen war das Foyer des Quenstedt-Gymnasiums mit circa 50 Personen gut gefüllt.
Mössingen begeht dieses Jahr das neunzigjährige Jubiläum des Mössinger Generalstreiks gegen die Machtübernahme Adolf Hitlers am 27. Januar 1933. Einem reichsweiten Aufruf der Kommunistischen Partei Deutschlands zum Generalstreik gegen die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler folgten lediglich in Mössingen große Teile der Bevölkerung. Rund 800 Personen, darunter viele der damals 4000 Einwohner, nahmen am Streik teil. Dieser wurde zwar innerhalb eines Tages von der Polizei unterdrückt, gilt aber aufgrund seiner Einzigartigkeit als bedeutendes Ereignis in der Geschichte des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.
Der Mössinger Oberbürgermeister Michael Bulander berichtete in seinen einleitenden Worten vom städtischen Diskussionsprozess, der in der Einrichtung eines Erinnerungskubus mündete. Dieser Kubus befindet sich im Foyer des Rathauses und damit an einem zentralen Ort Mössingens, wie Bulander betonte.
In ihrem Grußwort unterstrich Landtagspräsidentin Aras die Bedeutung, die dem Erinnern auch heute noch zukommt: „Unsere Demokratie hat nur dann eine Zukunft, wenn auch das Erinnern eine Zukunft hat“.
Nach diesem Auftakt erklommen fünf Ehrenamtliche sowie der Leiter des Jugendguideprojekts, Honorarprofessor Dr. Wolfgang Sannwald, das Podium, um über die Zukunft des Erinnerns zu sprechen. Im Fokus standen dabei die Herausforderungen, die durch die zunehmende zeitliche Distanz zu den Ereignissen des Nationalsozialismus entstehen. Moderiert wurde das Gespräch durch die Leiterin des Mössinger Stadtmuseums, Dr. Franziska Blum. Die Vorsitzende der KZ-Gedenkstätte Bisingen, Dr. Ines Mayer, hob die sehr guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Jugendguides hervor. So sind mittlerweile mehrere ehemalige Jugendguides, die die Qualifizierung von Landkreis Tübingen und Verein KulturGUT mitgemacht haben, Mitglied im Vorstand des Gedenkstättenvereins. Dr. Wolfgang Sannwald lobte die gute Zusammenarbeit mit Schulen, insbesondere mit der Geschwister-Scholl-Schule Tübingen. Die Schule stelle regelmäßig und unbürokratisch Freistellungen vom Unterricht aus, damit Jugendguides auch während der Schulzeit Führungen geben könne. Auch hat die Schule die Jugendguides fest in ihrem Geschichteunterricht verankert. Die meisten neunten Klassen erhalten eine Führung durch Jugendguides, welche diese auch benoten lassen können.
Die vier Jugendguides Lisa Wilke, Anna Pytlik, Timna Haischt und Jérôme Seibert berichteten von ihren Erfahrungen und Motivationen. Jungen Menschen zeigen zu können, dass Geschichte nicht heißen muss, Schulbücher zu lesen, sondern auch bedeuten kann, die Lebenswege und Schicksale Einzelner nachzuvollziehen, bildet dabei eine wichtige Motivation für Anna Pytlik und Timna Haischt. Lisa Wilke und Jérôme Seibert hoben die Möglichkeit hervor, anderen jungen Menschen auf Augenhöhe Geschichte zu vermitteln und dabei auch verstärkt den digitalen Raum in den Blick zu nehmen. Je nachdem, wie ihre weitere Karriere verlaufen wird und welche Formen für sie passen, erklärten alle ihr Interesse daran, längere Zeit als Jugendguide aktiv zum erinnerungskulturellen Diskurs in der Gesellschaft beizutragen.
Foto: Wolfgang Sannwald