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Ein NS-Verbrechen als Familienbürde

Jugendguides

Am Freitag, 16. Juni 2023 kommen fünf Enkel der im KZ Natzweiler 1943 ermordeten Alice Simon um 18:30 Uhr zum Zeitzeugengespräch ins Landratsamt Tübingen.

Alice Simon wurde 1943 Opfer eines Verbrechens von NS-Wissenschaftlern – zusammen mit weiteren 85 jüdischen Frauen und Männern. 80 Jahre nach dem Tod ihrer Großmutter kommen am Freitag, 16. Juni, fünf Enkel aus den USA zu einem öffentlichen Zeitzeugengespräch ins Landratsamt Tübingen. Wie hat die Familie von diesem Verbrechen erfahren, welche Konsequenzen folgten für sie daraus? Welche Rolle spielt die Erinnerung in ihrem Alltag? Und was hat das Verbrechen eigentlich mit Tübingen zu tun?

86 jüdische Frauen und Männer sind im August 1943 im Konzentrationslager Natzweiler ermordet worden. An ihrer Selektion im KZ Auschwitz hatte auch der Tübinger Anthropologe Dr. Hans Fleischhacker mitgewirkt. Initiator des Verbrechens war Prof. August Hirt, Anatomie-Professor an der damaligen Reichsuniversität Straßburg und von Dezember 1944 bis April 1945 in Tübingen. Hirt hatte die Absicht, mit den Skeletten der Ermordeten die historische Sammlung seines Straßburger Instituts nach rassenideologischen Gesichtspunkten zu erweitern. Die nationalsozialistischen Täter taten alles, um die Identität der Ermordeten auszulöschen.

Aber Prof. Hans-Joachim Lang, der am Tübinger Ludwig-Uhland-Institut lehrt, ist es nach aufwändigen Recherchen gelungen, die Ermordeten namentlich zu identifizieren, überlebende Familienangehörige zu finden und ihnen Gewissheit über die Todesumstände zu geben. Dazu veröffentlichte Lang 2004 das inzwischen in mehrere Sprachen übersetze Buch „Die Namen der Nummern“ und die Website www.die-namen-der-nummern.de.

Am Vorabend des diesjährigen „Tag des Gedenkens an Shoa und Heldentum” (Jom haScho’a, 18. April 2023) stellte der israelische Staatspräsident Izchak Herzog das Verbrechen an den 86 Jüdinnen und Juden und ihre Identifizierung in den Mittelpunkt seiner Rede. Diesem Thema widmen sich im derzeitigen Sommersemester parallel studentische Seminare an der Universität Tübingen (Prof. Reinhard Johler, Prof. Hans-Joachim Lang) und an der Université de Strasbourg mit Prof. Jeanne Teboule (Institut d’ethnologie) und Prof. Christian Bonah (Département des sciences sociales et humaines en médecine). An einem gemeinsamen Arbeitstreffen der französischen und der deutschen Studierenden Mitte Juni in Strasbourg beteiligen sich auch Angehörige der Ermordeten aus den USA, der Schweiz, Frankreich und Israel.

Die fünf Enkel der Berlinerin Alice Simon machen vor ihrer Heimreise in die USA noch Station in Tübingen. Im Landratsamt sprechen sie unter anderem mit Studierenden der Empirischen Kulturwissenschaft und den von Landkreis Tübingen und KulturGUT qualifizierten Jugendguides, die in der Woche vor Pfingsten die Gedenkstätte Natzweiler besuchten. Fragen aus dem Publikum sind selbstverständlich willkommen.

Eine Veranstaltung des Landratsamts Tübingen, des d.a.i. Tübingen und des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft.

Einführung:Prof. Dr. Hans-Joachim Lang
Podiumsgäste:Deborah Simon Konkol, Joanne Simon Weinberg, Christine Simon Halverson, John Simon, Elisabeth Simon
Moderation:Prof. Dr. Wolfgang Sannwald

(Die Einführung ist auf Deutsch, das Podiumsgespräch auf Englisch)   

Unmittelbar vor der Veranstaltung bieten die Kunstschaffenden Lissi Maier-Rapaport und Peter Krullis um 17:30 Uhr eine öffentliche Führung durch die Ausstellung „Unsichtbar – in der Mitte der Gesellschaft? Gesicht zeigen gegen Antisemitismus!“ in der Glashalle des Landratsamts Tübingen an. Der Eintritt ist frei.

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