< Dessauer, Erich Hermann | tuenews
Logo Tunews Magazin

Dessauer, Erich Hermann

Erich Hermann Dessauer wurde am 13. November 1887 in Tübingen geboren. Seine Eltern waren der Optiker Adolf Dessauer und dessen Frau Lenchen geborene Halle. Beide waren israelitischer Religion. [0901] Laut Adressbüchern der Stadt Tübingen wohnten Adolf Dessauer und seine Familie zunächst im zweiten Stock der Neckargasse 2, die zeitweilig noch Neckarstraße hieß. 1902 ist als Anschrift das Parterre der Uhlandstraße 4 angegeben, wo Adolf Dessauer auch ein „optisches Warengeschäft“ betrieb. [0902] Seit 1. Juli 1903 war Erich Dessauers Vater Adolf im ersten Stock der Uhlandstraße 16 in Tübingen gemeldet. Die Wohnung wird als Eigentum bezeichnet. [0903] Die Grabsteine von Erich Dessauers Eltern Adolf und Lenchen Dessauer sind auf dem Jüdischen Friedhof Wankheim erhalten. [0904]

Erich Dessauer studierte 1907 bis 1911 in Tübingen Rechtswissenschaften [0905], zuvor und dazwischen war er an der Universität Berlin eingeschrieben. [0906] In den Jahresverzeichnissen der deutschen Hochschulschriften zwischen 1900 und 1940 ist eine Dissertation Erich Dessauers nicht nachgewiesen. [0907] Erich Dessauer heiratete am 20. September 1917 Emma Levi in Stuttgart. Emma Levi war am 17. September 1894 in Stuttgart geboren worden und lebte dort. Ihre Eltern waren Paul Levi und Martha Levi geborene Edenfeld in Stuttgart. [0908] Emma Levi hatte 1910 bis 1914 an der Musikhochschule Stuttgart studiert. [0909] Erich und Emma Dessauer wohnten in Stuttgart unter anderem in der Uhlandstraße 21. [0910]

Erich Dessauer war 1917 beim Oberlandesgericht Stuttgart als Rechtsanwalt zugelassen worden. Seine Kanzlei hatte er in Cannstatt, dem heutigen Stuttgarter Stadtbezirk Bad Cannstatt, zunächst gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Rothschild, 1932 bis 1935/36 mit den Rechtsanwälten Strom und Hartmann. Danach durfte er nicht mehr als Rechtsanwalt tätig sein. Er praktizierte seitdem als „Konsulent“, zunächst im ersten Stock der Kronprinzstraße 12. Das Gebäude gehörte seiner Frau. Er soll in dieser Zeit „überhaupt nur Juden als Klienten“ gehabt haben „und dies in einem überaus grossen Umfang“. [0910]

Am 30. November 1938 wurde Erich Dessauer die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen. Nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde er in „Schutzhaft“ genommen, später ein zweites Mal 1941/42 „wegen Verkehrs mit Staatsfeinden“ von der Gestapo inhaftiert. [0911] Als letzte Adresse wird die Cäsar Flaischlen-Straße 5 in Stuttgart angegeben. [0912]

Erich Dessauer und seine Frau Emma wurden mit dem Transport XIII/3 am 17. Juni 1943 von Stuttgart in das Ghetto Theresienstadt auf dem Gebiet der heutigen Stadt Terezín im tschechischen Bezirk Litoměřice deportiert. Erich Dessauer hatte auf der Transportliste die laufende Nummer 4, seine Frau Emma die Nummer 3. [0912] [0913] Der Transport von neun Personen fand in einem Passagierwaggon dritter Klasse statt, der an unterschiedliche Züge angehängt wurde. Er traf am 18. Juni 1943 im Ghetto Theresienstadt ein. [0914] Emma Dessauer erklärte beim Verfahren zur Todeserklärung ihres Mannes Erich, dass sie und ihr Mann in Theresienstadt „täglich beisammen“ gewesen seien, „soweit es unsere Dienstzeit erlaubte“. [0915]

Erich Dessauers letztes Lebenszeichen liegt in Form einer beglaubigten Abschrift vor: Am 15. Oktober 1944 hatte er seiner Ehefrau Emma Dessauer Vollmacht erteilt, ihn in allen Angelegenheiten zu vertreten, „Die Vollmacht erlischt nicht mit dem Tode.“ [0916] Bei einer eventuellen Trennung von seiner Frau hatten sie ausgemacht, „dass wir uns in Stuttgart nach unserem Freiwerden treffen wollten.“ [0915] Erich Dessauer wurde unter der Nummer 333 in dem Transport mit der Bezeichnung Er am 16. Oktober 1944 von Theresienstadt aus weiterdeportiert. [0917] Der Zug fuhr am 16. Oktober 1944 ab und kam am 18. Oktober im KZ Auschwitz-Birkenau, das überwiegend auf dem Gebiet des heutigen polnischen Landkreises Oświęcim in der Woiwodschaft Kleinpolen lag, an. 157 Frauen und eine unbekannte Anzahl Männer, die als arbeitsfähig galten, kamen in das KZ-Lager und von da aus in andere Arbeitslager. Die meisten Menschen aus dem Transport wurden unmittelbar nach der Ankunft in den Gaskammern ermordet. [0918]

Das Amtsgericht Stuttgart erklärte Erich Dessauer am 10. Januar 1947 für tot. Als Todestag legte es den 31. Oktober 1944 fest. [0916] Erich Dessauers Frau Emma wurde am 9. Mai 1945 aus dem „KZ Theresienstadt“ befreit und kehrte am 21. Juni 1945 nach Stuttgart zurück. Eine Akte beim Internationalen Suchdienst Arolsen zeigt, dass sie intensiv nach dem Schicksal ihres Mannes forschte. [0909] Sie hatte auch den Antrag auf Todeserklärung gestellt. [0916] Emma Dessauer starb am 27. Januar 1975. [0919]

KrATÜ P1-09

Der Landkreis Tübingen und die Gemeinde Kusterdingen haben sich 2022 dazu entschlossen, gemeinsam ein Gedenkbuch zu erarbeiten und vor dem Jüdischen Friedhof Wankheim aufzustellen.

1774 gestattete der ritterschaftliche Ortsherr Freiherr Friedrich Daniel St. André den Zuzug jüdischer Familien in sein Dorf Wankheim bei Tübingen. Die bürgerliche Gemeinde Wankheim verpachtete der jüdischen Gemeinschaft ab November 1774 einen Begräbnisplatz.

TÜNEWS INTERNATIONAL

Related posts

Contact Us

Magazine Html