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Stettiner, Herrmann

Hermann Stettiner wurde am 11. August 1911 in der elsässischen Stadt Mülhausen, heute Mulhouse in der französischen Region Grand-Est, geboren. Seine Eltern waren der Kaufmann Alfred Emil Stettiner und dessen Ehefrau Elise Martha geborene Schär. Der Vater war israelitischer, die Mutter evangelischer Religion. Die Eltern wohnten in Mülhausen in der Wanne Straße 20. [4701] Laut Familienbuch war Hermann Stettiner evangelischer Religion. [4702] Sein Vater war „im Felde“ gestorben. [4703] Die Kaufmannswitwe und Gesangslehrerin Martha Stettiner ist nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Stuttgarter Adressbüchern nachweisbar: 1919 im Kanonenweg 4, 1920 in der Königstraße 87 und seit 1923 in der Rotebühlstraße 145. [4704]

Hermann Stettiner besuchte die Friedrich-Eugen-Oberrealschule in Stuttgart und machte Abitur. [4705] Anschließend studierte er Nationalökonomie [4706], zunächst ab August 1931 in Hamburg, [4707] dann ab dem 30. Oktober 1931 an der Universität Tübingen. [4708] In Tübingen meldete er sich von Stuttgart kommend am 29. Oktober 1931 in der Schlossbergstraße 10 an. [4709] Stettiner war bis zum Winterhalbjahr 1933/34 für Volkswirtschaft eingeschrieben und legte im Frühjahr 1933 die Diplomprüfung für Volkswirte „mit Erfolg“ ab. Im Frühjahr 1934 ging er von der Universität Tübingen ab. [4703]

Das Akademische Rektoramt der Universität Tübingen erwähnte Hermann Stettiner in einem Bericht an das württembergische Kultministerium vom 3. August 1933. Das Akademische Rektoramt hatte gegen jene ermittelt, die sich „nachweislich in kommunistischem Sinne“ betätigt und auf dem Wahlvorschlag „Linke Einheitsfront“ für die Allgemeinen Studentenausschuss-Wahlen im Sommerhalbjahr 1933 unterschrieben hatten. Zwar gehörte Stettiner nicht zu den „Unterzeichneten des Wahlvorschlags“, er lasse jedoch „gelegentlich die nötige Zurückhaltung vermissen“. [4710] Hermann Stettiner meldete sich am 28. Februar 1934 aus Tübingen nach Hamburg ab. [4709] In Hamburg heiratete Hermann Stettiner am 24. Mai 1934 Margot Jeanette Oppenheimer. Zum Zeitpunkt der Eheschließung wohnte er in der Thielengasse 7 in Hamburg. Margot Oppenheimer war am 10. April 1913 in Hamburg geboren worden. [4711] Nach dem Geburtsregister war sie „mosaischer“ Religion. Ihre Eltern waren der Fischhändler Wilhelm Oppenheimer und dessen Ehefrau Martha geborene Hasenberg. [4712] In Hamburg trat Hermann Stettiner am 30. Mai 1934 in die jüdische Gemeinde ein. [4713]

Hermann Stettiner wohnte vom 14. November 1934 bis 28. Februar 1935 erneut in Tübingen, in der Albrecht­straße 17. Von hier meldete er sich nach Stuttgart ab. [4709] Im Stuttgarter Adressbuch für das Jahr 1936 ist Hermann Stettiner mit der Wohnadresse Rotebühlstraße 145 genannt, wo auch seine Mutter Martha Stettiner wohnte. [4714] 1938 war Hermann Stettiner in der Ludwigstraße 83, 1939 wieder in der Rotebühlstraße 145 gemeldet. [4715] Wohl seit 1934 und noch 1938 betrieb Hermann Stettiner in der Uhlandstraße 14 A [4714] in Stuttgart ein Büro als Devisenberater. [4716] Den Aufenthalt in Stuttgart unterbrach er vom 21. Mai bis zum 28. Juni 1936, als er sich in der Klosterallee 2 in Hamburg anmeldete. [4713]

Hermann Stettiners Frau Margot wanderte im Januar 1938 nach England aus. [4717] Im Herbst 1938 soll sich auch Hermann Stettiner zur Auswanderung entschlossen haben. [4705] Das Visum und die sonstigen erforderlichen Papiere hätten beim britischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main bereit gelegen. In dem Moment soll ihn die Gestapo in Stuttgart verhaftet haben. [4718] Der seinerzeitige Sachbearbeiter bei der Staatspolizeileitstelle Stuttgart, Georg Kübler, erinnerte sich 1954 an den „Fall Stettiner“: Hermann Stettiner habe entweder dem englischen oder dem französischen Nachrichtendienst einen Bericht über die Lage der damaligen Panzerkaserne in Vaihingen (im Gebiet des heutigen Stuttgarter Stadtbezirks Vaihingen) geliefert. [4719]

Hermann Stettiner wurde am 25. Oktober 1939 aus Stuttgart in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit eingeliefert. Der Volksgerichtshof in Berlin verurteilte ihn am 30. Oktober 1939 „wegen eines Unternehmens der Ausspähung von Staatsgeheimnissen“ zu lebenslangem Zuchthaus. Als Strafgefangener wurde er am 27. November 1939 in das Zuchthaus Ludwigsburg eingeliefert, am 27. September 1941 in die Strafanstalt Garsten, heute Bezirk Steyr-Land in Oberösterreich, am 3. Mai 1942 wieder ins Zuchthaus Ludwigsburg und am 3. Dezember 1942 ins KZ Welzheim im Gebiet der heutigen Stadt Welzheim im Rems-Murr-Kreis. [4706] [4719] Danach galt er als verschollen. Das Amtsgericht Stuttgart erklärte Hermann Stettiner am 25. November 1947 zum 15. Dezember 1942 für tot. [4720]

1955 beeidete Irwin Schwartz, der mehrere KZs überlebt hatte, den Tod von Hermann Stettiner: Sie seien gemeinsam in das KZ Auschwitz (überwiegend auf dem Gebiet des heutigen polnischen Landkreises Oświęcim in der Woiwodschaft Kleinpolen) verbracht worden. Stettiner sei durch „äusserst schwere Arbeit bei vollkommen ungenuegender Ernaehrung nach verhaeltnismaessig kurzem Aufenthalt im Lager arbeitsunfaehig“ geworden. Er, Schwartz, habe mit eigenen Augen gesehen, dass Stettiner eines Tages mit 40 anderen nur im Hemd bekleidet auf einen Lastwagen „verladen“ worden sei. Derartige „Nachthemdentransporte“ hätten „direkt in die Gaskammer“ geführt. Den Todestag datierte Schwartz auf März bis Anfang April 1943. [4721] [4722]

KrATÜ P1-47

Der Landkreis Tübingen und die Gemeinde Kusterdingen haben sich 2022 dazu entschlossen, gemeinsam ein Gedenkbuch zu erarbeiten und vor dem Jüdischen Friedhof Wankheim aufzustellen.

1774 gestattete der ritterschaftliche Ortsherr Freiherr Friedrich Daniel St. André den Zuzug jüdischer Familien in sein Dorf Wankheim bei Tübingen. Die bürgerliche Gemeinde Wankheim verpachtete der jüdischen Gemeinschaft ab November 1774 einen Begräbnisplatz.

An dieser Stelle informieren wir darüber, welche weiteren Erkenntnisse es zum Gedenkbuch vor dem Jüdischen Friedhof Wankheim gegeben hat und welche Textstellen in der online-Version des Gedenkbuches korrigiert wurden.

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