Deutsche Wörter aus aller Welt

Von Ute Kaiser
Rana und Nour lernen für ihre B2-Prüfung. Das strengt an, weil die deutsche Sprache kompliziert ist. Deshalb brauchen die beiden Frauen eine Pause. Sie sitzen auf einem Sofa und knabbern Pistazien. Rana und Nour müssen nicht wissen, dass Sofa und Pistazie ursprünglich keine deutschen Wörter waren. Sofa wurde wie Beduine, Kadi, Matratze, Safran und viele andere Begriffe aus dem Arabischen übernommen. Pistazie kommt wie Pyjama, Paradies und Pascha aus dem Persischen. Diese Wörter haben meist eine lange Wanderung hinter sich. Sie gelangten über das Griechische, das Lateinische und das Italienische in die deutsche Sprache.
Alle Wörter, die von anderen Sprachen geliehen wurden, heißen im Deutschen Lehnwörter. Davon gibt es viele – aus fast allen Ecken der Welt bis Polynesien. Von dort kommt das Wort Tattoo. Wikipedia schreibt, dass fast jedes vierte Wort im Rechtschreiblexikon „Duden“ fremdsprachliche Wurzeln hat.
Der Bumerang stammt aus Australien. Mit dieser Wurfwaffe gingen und gehen die australischen Ureinwohner, die Aborigines, auf die Jagd. Aus dem Schwedischen liehen sich die Deutschen das Wort Knäckebrot, das beim Kauen so schön knackt. Viele Lehnwörter haben etwas mit Essen zu tun wie etwa die Schokolade. Der Begriff kommt ursprünglich aus dem Aztekischen, das in Mexiko gesprochen wurde. Schokolade enthält Kakao. Die deutsche Sprache hat auch dieses Wort eingebürgert. Die ersten Kakaobohnen soll angeblich der Seefahrer Christoph Kolumbus (1451–1506) mit nach Europa gebracht haben. Auch Chili und Tomaten kamen auf Schiffen aus Mittel- und Südamerika. Die Europäer haben diese Begriffe in ihre Sprachen übernommen.
Einen weiten Weg legte auch die Orange zurück. Der Name stammt ursprünglich aus dem indischen Sanskrit. Über die Handelsrouten wurde er ins Persische, Arabische, Spanische, Italienische, Französische und Deutsche transportiert. Aus Indien stammen viele Wörter wie Bambus, Curry, Ingwer, Mango, Shampoo und Zucker, was im Ursprung „süß“ bedeutete. Sie werden in Deutschland oft verwendet. Niemand denkt über ihre Herkunft nach.
Auch aus den europäischen Nachbarländern übernahmen die Deutschen viele Begriffe. Aus dem Finnischen beispielsweise die Sauna. Aus dem Italienischen unter anderem die Kartoffel, das Konto, den Korridor und die Melone. Die Paprika stammt aus Ungarn, die Gurke aus Polen. Der Joghurt und der Kaviar sind aus dem Türkischen geliehen. Dafür brauchen die Deutschen keinen Dolmetscher. Dieses Wort kam über Ungarn aus der Türkei nach Deutschland.
Griechischen oder lateinischen Ursprungs sind viele Begriffe wie Bibliothek, Demokratie, Industrie, Mikroskop, Professor und Telefon. Sie werden oft als Fremdwörter bezeichnet: Sie sollen noch nicht so in die deutsche Sprache integriert sein wie die Lehnwörter. Doch viele Sprachwissenschaftler bezweifeln diese Unterscheidung. Die Engländer verzichten darauf. Sie sprechen nur von loanwords (Lehnwörtern).
Schon lange hat die deutsche Sprache sehr viele Wörter aus dem Englischen geschluckt – und es werden immer mehr. Sie heißen Anglizismen. Beispiele: Action, chillen, Event, Hotspot, Internet, Minijob, online, Party, Popsong, Shopping-Center und Spray. Das Wort Handy klingt nur so als ob. Auf Englisch heißt es mobile (oder cellular) phone.
Durch Handelskontakte, Flüchtlinge wie die Hugenotten oder über französische Besatzungssoldaten kamen über die Jahrhunderte viele Wörter nach Deutschland. Mancher König hat französisch gesprochen, um vornehmer zu wirken. Aber auch in die schwäbische Alltagssprache sind französische Lehnwörter aufgenommen worden. Ihre Liste ist lang. Sie umfasst Verben wie rasieren, revanchieren oder parlieren. Und viele Substantive wie Alarm, Bonbon, Chaussee (Landstraße), Dessert (Nachtisch), Etage (Stockwerk), Mannequin, Parterre (Erdgeschoss), Portemonnaie (Geldbeutel), Reportage, Serviette, Teint (Gesichtsfarbe, -haut), Trottoir (Bürgersteig), Turnier (Wettkampf) und Vitrine (gläserner Schauschrank).
Rana und Nour haben sich genug ausgeruht und wollen jetzt weiter für ihre Prüfung lernen. Sie stehen vom Sofa auf, das in Schwaben manchmal noch Chaiselongue genannt wird. Auch dieses komplizierte Wort wurde aus dem Französischen eingebürgert. Es klingt edler als Sofa. Aus dem Nachbarland im Westen kommt auch der Abschiedsgruß adieu, der oft mundfaul auf ade verkürzt wird.
Die deutsche Sprache bedient sich aber nicht nur aus anderen Sprachen. Sie gibt auch Wörter ab. Zu den bekanntesten gehören der Kindergarten und das Waldsterben. Ausgewandert sind auch die (german) Angst, das Butterbrot, die Gemütlichkeit, der Rucksack, die Wanderlust, der Weltschmerz, der mehr als Melancholie meint – und der Besserwisser (Skandinavien). Das Besserwissen scheint dort für eine typische deutsche Eigenschaft gehalten zu werden. Aber das wäre eine andere Geschichte.

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Wörter wie Tattoos, Tomaten, Pistazien, Paprika und vieles mehr werden im Deutschen “Lehnwörter” genannt. Foto: tünews INTERNATIONAL / Linda Kreuzer.

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