Demonstrieren ist ein Menschenrecht

Von Ute Kaiser
In Deutschland demonstrieren Hunderttausende für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Sie protestieren auch gegen „Remigrations“-Ideen in der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Dieser Kampfbegriff steht für „die Deportation aller Menschen mit vermeintlich falscher Hautfarbe oder Herkunft, selbst dann, wenn sie deutsche Staatsbürger sind“. Das sagte ein Mitglied der Jury, die den Begriff „Remigration“ zum Unwort des Jahres 2023 erklärte (siehe die Meldung tun24011603).
Wie sieht das Demonstrationsrecht in Deutschland aus? Artikel 8, Absatz 1 des Grundgesetzes regelt, dass alle Deutschen das Recht haben, sich ohne Anmeldung und Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Allerdings wird das Grundrecht auf Versammlungen unter freiem Himmel durch das Versammlungsgesetz eingeschränkt, was die Anmeldung und Erlaubnis betrifft (siehe weiter unten).
Gilt dieses Grundrecht nur für Deutsche? Nein. Im Versammlungsgesetz des Bundes, das auch in Baden-Württemberg gilt, steht: „Jedermann hat das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen.“ Denn sowohl die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als auch die Europäische Menschenrechtskommission verstehen die Versammlungsfreiheit als Menschenrecht.
Wer hat kein Recht zu demonstrieren? Nach dem Versammlungsgesetz sind das zum Beispiel diejenigen, die die Ziele einer vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärten Partei fördern wollen, außerdem die für verfassungswidrig erklärten Parteien oder verbotene Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten.
Was ist bei Demonstrationen verboten? Niemand darf nach dem Versammlungsgesetz Waffen oder Gegenstände dabeihaben, mit denen Menschen verletzt oder Sachen beschädigt werden können. Es ist auch verboten, bei der Demonstration Uniformen oder Kleidung zu tragen, die eine gemeinsame politische Gesinnung ausdrücken sollen. Das gilt zum Beispiel für Nazi-Symbole.
Welche Regeln gelten noch? Eine Demonstration muss nach dem Versammlungsgesetz spätestens 48 Stunden vorher bei der zuständigen Behörde – dem Amt für öffentliche Ordnung – angemeldet werden.
Eine Demonstration kann verboten werden oder bestimmte Auflagen bekommen. Das gilt zum Beispiel, wenn sie an einem Ort sein soll, der „als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert“ und zu befürchten ist, dass „die Würde der Opfer beeinträchtigt wird“. Ausdrücklich nennt das Versammlungsgesetz das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin.
Außerdem darf nichts getragen werden, was verhindert, dass die Identität festgestellt werden kann – also etwa Masken oder Hauben, die nur die Augen freilassen.
Dürfen Demonstrationen verboten werden? Ja, Demonstrationen können vor ihrem Beginn verboten oder nach dem Beginn aufgelöst werden, aber nur, wenn sie die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährden – zum Beispiel durch Gewalttätigkeiten. Aber ein Verbot oder eine Auflösung sollen nur „das letzte Mittel“ sein, so das Bundesministerium des Innern. Vorher können Beschränkungen angeordnet werden.
Dürfen Gegendemonstranten stören? Wer genehmigte Demonstrationen verhindern will und dazu mit Gewalt droht, gewalttätig wird oder massiv stört, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einem Bußgeld bestraft.
Im Versammlungsgesetz, Abschnitt IV, finden sich auch alle anderen Straf- und Bußgeldvorschriften für nicht eingehaltene Regeln.
Siehe
https://www.gesetze-im-internet.de/versammlg/BJNR006840953.html
und
https://www.bmi.bund.de/DE/themen/verfassung/staatliche-ordnung/versammlungsrecht/versammlungsrecht-node.html

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www.tuenews.de

Demonstration auf dem Tübinger Marktplatz. Foto: tuenews INTERNATIONAL / Martin Klaus.
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