Beratung, die unabhängig macht

Kreis Tübingen. Rund 400 Geflüchtete aus dem Kreis Tübingen haben es geschafft: Sie sind von der sozialen Betreuung des Kreises unabhängig geworden. Das sagt Martin Quack, einer der Leiter des Fachdiensts für Geflüchtete beim Landratsamt Tübingen. Die meisten von ihnen haben einen Job gefunden, mit dem sie unabhängig von Sozialleistungen wurden, sie sprechen gut Deutsch und haben eine eigene Wohnung. Andere sind weggezogen, etwa weil sie woanders eine Arbeit gefunden haben. In der Regel endet die Betreuung, wenn die Geflüchteten eine Niederlassungserlaubnis bekommen haben und damit dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen oder wenn sie acht Monate lang ohne Beratung auskamen.
Die 34 Mitarbeiter des Landratsamts, die beim Fachdienst für Geflüchtete tätig sind, haben dennoch alle Hände voll zu tun. Sie sind für die Sozialbetreuung und das Integrationsmanagement im gesamten Kreis zuständig – mit Ausnahme der Stadt Tübingen, die den Bereich Integrationsmanagement in eigener Regie übernommen hat. Über 2000 Klienten haben sie in den letzten Jahren gleichzeitig betreut. Zuletzt ging die Zahl der Ratsuchenden zwar zurück – doch seit dem Sommer stiegen die Zahlen und dann kam der Ukrainekrieg. Zurzeit werden im Kreis Tübingen 1700 Geflüchtete aus der Ukraine betreut. Um die Belastung zu senken, hat der Kreistag Mitte Mai die Schaffungen von 22,5 neuen Stellen für deren Betreuung in unterschiedlichen Bereichen der Verwaltung geschaffen. Davon entfallen 10 Stellen auf den Fachdienst. Die meisten dieser Stellen sind auf zwei Jahre befristet.
„Wir fangen so früh wie möglich mit der Integrationsarbeit an“, sagt Quack. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter des Fachdiensts bereits in den Gemeinschaftsunterkünften Sozialarbeit leisten und die Beratung fortsetzen, wenn die Geflüchteten in die Anschlussunterbringung bei den Kommunen gewechselt sind. Flüchtlingssozialarbeit und Integrationsmanagement gehen somit Hand in Hand. Ihr Ziel: sich selbst überflüssig zu machen.
Bis dahin ist es ein weiter Weg. Die Beraterinnen und Berater müssen sich auf alle Ratsuchenden einzeln einstellen: Hat ein Geflüchteter eine Ausbildung im Heimatland abgeschlossen, eine Klientin ein Studium absolviert? Manchmal geht es um Informationen zu gesundheitlichen Fragen, manchmal auch um die Frage, ob eine Ausbildung aus einem weit entfernten Land in Deutschland anerkannt wird. Stark im Vordergrund steht das Deutschlernen.
„Es gibt keine Lösung, die für alle passt“, sagt Quack. Die Beraterinnen und Berater entwickeln deshalb gemeinsam mit den Geflüchteten individuelle Integrationsziele. „Wo möchten Sie hinkommen“ lautet dabei die Kernfrage. Die Mitarbeiter des Integrationsmanagements arbeiten dabei auch eng mit Ehrenamtlichen zusammen, die die Familien beim Ankommen in Deutschland unterstützen. Grundsätzlich sei die Beratung der Geflüchteten aus der Ukraine etwas weniger aufwendig als bei den Menschen, die 2015/16 ins Land kamen. „Vieles ist ähnlich“, sagt Quack und verweist auf vergleichbare Behördenstrukturen oder das Schulsystem.
Wie schnell es Geflüchtete schafften, von der sozialen Beratung unabhängig zu werden, hängt stark von ihren Lebensumständen ab. „Alleinerziehende Mütter mit mehreren Kindern brauchen mehr Zeit als junge Männer mit guter Ausbildung“, sagt Quack. Einen großen Einfluss hat auch, was die Menschen in den Kriegen in ihrem Heimatland oder auf der Flucht erlebt haben. Wer stark traumatisiert wurde, braucht meist länger Unterstützung.
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Der Fachdienst für Geflüchtete im Tübinger Landratsamt. Foto: tünews INTERNATIONAL / Scheyda Karasu.

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