Geld für Decken und Essen

Von Brigitte Gisel

Noch immer erhalten die Erdbebenopfer in Nordsyrien kaum Hilfe von außen. TüNEWS-Redakteur Youssef Kanjou organisiert Unterstützung auf eigene Faust.
„Wir sammeln Geld für Nordsyrien wegen dem Erdbeben. Da die Menschen nicht genug Hilfe kriegen und nicht genug Essen haben.“ Der Aufruf liest sich atemlos, verzweifelt – und so ist die Lage. „Es geht ihnen sehr schlecht“, sagt Dr. Youssef Kanjou über seine Mutter, den Bruder und seine Familie und seine Cousins und Cousinen, die in Dschenderes in Nordwestsyrien nahe der Grenze zur Türkei leben. „Sie haben alles verloren“, sagt der frühere Direktor des Nationalmuseums von Aleppo, der seit 2016 bei Tübingen wohnt und am Institut für Kulturen des Alten Orients der Tübinger Universität arbeitet. Nachdem ihm sein Bruder Tage nach dem Beben per Telefon erzählte, wie die Menschen leiden, hat er sich entschlossen, die Menschen in Dschenderes mit einer eigenen Spendenaktion zu unterstützen. „In einer Familie hat nur ein kleiner Junge überlebt“, weiß der Archäologe. Er benötige Unterstützung, um weiter zur Schule gehen zu können.
„Sie brauchen alle warme Decken und Essen“, sagt Kanjou, Die ersten beiden Tage habe es nichts zu kaufen gegeben, doch jetzt sei die Lage besser. „Doch die Kinder sind krank, weil es so kalt ist“, erzählt er von den Telefongesprächen mit seinem Bruder. Hilfslieferungen für die Menschen im Norden Syriens seien bisher so wenig eingetroffen wie technisches Gerät, um Verschüttete und Tote zu bergen. „Die Menschen helfen sich gegenseitig.“ Nur einzelne NGOs seien gekommen, um die Erdbebenopfer zu unterstützen.
Mehr als 7 000 Euro hat Kanjou per Paypal bereits gesammelt. Das Geld wird über die Türkei nach Nordsyrien transferiert. Kanjou ist überwältigt von der Hilfsbereitschaft. Syrische Geflüchtete, Menschen aus dem Steinlachtal und seine Wissenschaftskollegen aus Japan, Australien und Deutschland: Viele wollen etwas beitragen. „Das motiviert mich weiterzumachen“: sagt Kanjou.
In Dschenderes lebten vor dem Erdbeben 56 000 Menschen. Vor dem Krieg waren es 18 000. Heute sind noch 6 000 Menschen in der Stadt. Mehr als 1 100 Männer, Frauen und Kinder sind beim Erdbeben gestorben. Die anderen haben die Stadt verlassen. Die Stadt liegt im Nordwesten Syriens und steht nicht unter dem Einfluss des Regimes von Machthaber Bashar al-Assad, sondern unter türkischem Schutz, wie Kanjou erzählt. Deswegen gibt es auch keine Unterstützung von der offiziellen syrischen Regierung. Vor allem die neuen Häuser seien in sich zusammengestürzt. Als die große Flüchtlingswelle aus dem von Assad kontrollierten Teil Syriens einsetzte, ist der Ort sehr schnell gewachsen. Es gab nicht nur Camps, sondern eben auch neue Häuser: schnell gebaut, illegal gebaut, ohne richtige Fundamente. Sie sind jetzt beim großen Erdbeben zusammengebrochen. Mit fatalen Folgen: In der Familie eines Cousins von Kanjou haben von sieben Kindern nur zwei überlebt.
Der Archäologe Kanjou steht in engem Kontakt mit seinen Kollegen in Aleppo. Sie erzählen ihm, dass das Erdbeben schwere Schäden angerichtet – auch am Weltkulturerbe. Zwar gab es Hilfe – vor allem aus dem arabischen Raum – die Lage der Menschen ist trotzdem verzweifelt „Sie waren schon vorher arm, jetzt haben sie nichts mehr.“
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Spendenaufruf für Erdbeben in Nordsyrien. Foto: tünews INTERNATIONAL / Youssef Kanjou

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