Die feministische Revolte im Iran

Von Ute Kaiser
Mit aller Macht und mit allen Mitteln bekämpft das iranische Regime Oppositionelle. Ihnen drohen Verfolgung, Folter und Hinrichtungen. Das Regime fördert aber auch sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Die Vergewaltiger kommen straffrei davon. Auch davon berichtet die Ärztin und Politikjournalistin Gilda Sahebi bei Vorträgen, in Artikeln und in ihrem Buch „Unser Schwert ist Liebe“. Der Titel stammt aus einem Song des regimekritischen Rappers Toomaj Salehi. Er ist einer von rund 20.000 Gefangenen und wurde gefoltert.
Gilda Sahebi ist 1984 im Iran geboren, aber seit ihrem dritten Lebensjahr in Tübingen aufgewachsen. Ihr Vater kämpfte nach der Machtübernahme der Mullahs 1979 für einen demokratischen Iran. Deshalb musste er fliehen. Seither hat sich an den Gefahren für Andersdenkende nichts geändert. Die fast sofort vorgeschriebene Zwangsverschleierung wird vier Jahrzehnte später noch immer mit brutaler Gewalt durchgesetzt. Alle, die das frauenverachtende Menschenbild der Kleriker nicht akzeptieren und ein freies Leben wollen, wird „Verdorbenheit auf Erden“ oder „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ vorgeworfen. Diese Anklagen können ein Todesurteil bedeuten.
„Die Unterdrückung der Frauen ist ein zentraler Pfeiler der islamischen Republik“, sagte die Politikwissenschaftlerin in Tübingen. Der Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini sei „der eine Fall zu viel“ und Zündstoff für die Proteste gewesen. Der Aufstand begann nicht zufällig in Kurdistan. Dort habe „der zivile Widerstand eine lange Tradition“, so Sahebi. „Frau, Leben, Freiheit“: Unter diesem Motto versammeln sich die Protestierenden. Ihre Überzeugung: Ein Regime, das auf der Unterdrückung von Frauen beruht, könne nur durch eine feministische Revolte gestürzt werden.
80 Prozent der Menschen im Iran sind gegen das Regime, sagt Sahebi. Den Nachrichten in den Staatsmedien glauben sie schon lange nicht mehr. Sie nutzen stattdessen Soziale Medien. Das ist gefährlich. Eine spezielle staatliche Einheit kontrolliert die Posts. Trolle verbreiten dort falsche Nachrichten. Die Journalistin befragt immer mehrere Quellen, um ihre Informationen zu überprüfen und keine Unwahrheiten zu verbreiten.
Von westlichen Staaten erwarten IranerInnen keine Unterstützung mehr. Die verfolgten ihre eigenen Interessen – zum Beispiel beim Atomdeal. Das sorgt für Wut. „Es sind die Menschen im Iran, die über ihr Schicksal entscheiden müssen“, sagt Sahebi.
„Das Regime wird nur von innen stürzen“ – indem eigene Leute aus dem System aussteigen. Auch im Militär soll es schon Absetzbewegungen gegeben haben. Doch die Diktatoren erkauften sich Loyalität. Die Unterstützer profitieren davon. Das Regime mache sie sehr reich, berichtet die Journalistin.
Der Kampf für Menschenrechte und Freiheit geht durch das ganze Land. Er wird getragen von Schiiten und Sunniten sowie den Menschen verschiedener Ethnien, sagt Sahebi. Sie setzt große Hoffnung in die junge Generation. Vor allem die Jugend habe „mit der Greisenriege gebrochen“.
Wie können Menschen im Westen die IranerInnen unterstützen? Auch auf diese Frage hat die Journalistin eine Antwort: durch Engagement. „Jede kleinste Geste macht den Unterschied.“ Sahebi wie die Exil-Organisation „Avaye Iranian“ setzen beispielsweise auf Solidaritäts-Demonstrationen und Druck auf die deutsche Politik, damit das Regime im Iran isoliert wird.

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Gilad Sahebi (zweite von rechts) auf dem Podium mit Sepideh Langeroudian (Avaye Iranian), Ruth Scoralick (Gleichstellungsbeauftragte der Universität Tübingen) und Luzia Köberlein (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Tübingen). Foto: tünews INTERNATIONAL / Ute Kaiser.
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