Von Sameer Ibrahim und Michael Seifert
Die Flüsse Tigris und Euphrat gehören zu den großen Flüssen der Welt und haben zahlreiche große und kleine Zuflüsse. Das macht den Irak zu einem der wenigen Länder, das trotz einer kleinen Fläche über einen großen Wasserreichtum verfügt. Die Kontrolle der Flüsse und die Bewässerung der Landschaft waren die entscheidenden Faktoren für die Entstehung der ersten Zivilisationen der menschlichen Geschichte im Zweistromland Mesopotamien. Ausgehend von Anatolien sind Menschen hier erstmals sesshaft geworden, haben Ackerbau und Viehzucht entwickelt. Stadtstaaten und Königreiche entstanden. Dafür mussten die Schrift und eine erste Rechtsordnung erfunden werden. Schulausbildung, Literatur, Keramik, technische Entwicklungen und vieles mehr nahmen hier ihren Anfang. Große Hochkulturen folgten aufeinander: Sumerer, Akkader, Babylonier, Assyrer…
Der Tigris entspringt im Taurusgebirge in der Türkei und fließt südwärts durch den Irak, vorbei an Syrien, und trifft auf den Euphrat. Er ist 1850 Kilometer lang und hat mehrere Nebenflüsse, darunter der Diyala-Fluss und die großen und kleinen Zab-Flüsse. Der Euphrat entspringt ebenfalls in der Türkei, durchquert syrisches Gebiet und fließt durch den Irak. Im Süden vereinigt er sich mit dem Tigris, um mit ihm die Wasserstraße Shatt al-Arab zu bilden. Diese mündet nach weiteren 190 Kilometern in den Persischen Golf.
Laut Expertenprognosen wird der Irak bis zum Jahr 2040 aufgrund des Klimawandels und dem Bau vieler Staudämme durch die Türkei ein Land ohne Flüsse sein. Im Irak kommt dadurch immer weniger Wasser an, was eine große Bedrohung für die Landwirtschaft und die Tiere am und im Fluss geworden ist. Das Flussbett trocknet aus. Hitzerekorde von über 50 Grad im Sommer tragen dazu bei (hierüber hat tuenews INTERNATIONAL schon berichtet: „Der Irak hat drei Sonnen“ – 50 Grad Hitze | tuenews INTERNATIONAL) Fischer fangen immer weniger Fisch. Familien, die als Selbstversorger vom Fluss lebten, müssen inzwischen teuer Lebensmittel einkaufen. An vielen Stellen kann man den Fluss zu Fuß zu überqueren.
Sameer Ibrahim, der seit 2015 in Deutschland lebt, hört aus der Familie und von Freunden, wie schlecht es den beiden Flüssen geht. Besorgt fragt er: „Werden die Möwen das Land der zwei Flüsse verlassen? Werden die Fische ganz verschwinden? Wovon werden die Menschen leben, die seit Tausenden von Jahren an den Ufern des Flusses wohnen? Wo werden die Strahlen der Sonne im Irak künftig reflektiert, wenn nicht auf seinen großen Flüssen? Schon jetzt wirken die weniger besiedelten Regionen wie eine Wüste. Die kommenden Jahre werden all diese Fragen beantworten.“
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Der Fluss Tigris im Irak. Foto: Kamal Mahmoud.
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