Neue Regelung: Likes könnten zu Abschiebung führen

Wer terroristische Taten durch Kommentare oder Likes in den sozialen Medien billigt, soll leichter aus Deutschland ausgewiesen werden können. Das hat die Bundesregierung Ende Juni im Kabinett beschlossen. Ausländerbehörden sollen damit künftig Menschen, die terroristische Taten im Netz unterstützen oder für sie werben, ohne Strafverfahren abschieben können. Anders als bisher soll dabei schon ein Kommentar oder Like ausreichen. Diese Regelung wird in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren einbezogen und muss vom Bundestag noch beschlossen werden, bevor es in Kraft treten kann.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat den Vorschlag eingebracht und begründet ihn in einer Pressemitteilung: „Wir gehen hart gegen islamistische und antisemitische Hasskriminalität im Netz vor. Auch in Deutschland wurden die Terrorangriffe der Hamas auf Israel auf widerwärtigste Weise in sozialen Medien gefeiert. Genauso menschenverachtend ist, wie die furchtbare islamistische Messerattacke in Mannheim im Netz verherrlicht wurde.“
Der Kabinettsbeschluss hat in den sozialen Medien bei MigrantInnen und Geflüchteten für Aufregung und Unsicherheit gesorgt. Die neue Regelung wird nicht für deutsche Staatsbürger gelten, denn diese können nicht ausgewiesen werden. Allerdings ermöglicht das seit 26. Juni geltende neue Einbürgerungsrecht eine Aberkennung der Staatsbürgerschaft innerhalb von 10 Jahren, wenn sich die Erklärung zum Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung etwa durch Äußerungen im Netz als falsch erweist. Dies bestätigte Rechtsanwältin Julia Kraft aus Berlin, Expertin und Fachanwältin für Migrationsrecht, auf Anfrage gegenüber tuenews INTERNATIONAL: „Nach der Gesetzeslage ist tatsächlich denkbar, dass ein problematischer Like zu einer Rücknahme der Einbürgerung führen könnte. Im Einzelnen wird man sich sicherlich streiten können, ob die Voraussetzungen für eine Rücknahme vorliegen und ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist.“ Kraft sieht die Auswirkungen dieser Regelung kritisch: „Das bedeutet für Betroffene eine hohe Rechtsunsicherheit und ist dementsprechend belastend. Es steht zu befürchten, dass die Regelungen unangemessene Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungsfreiheit haben, also dass Menschen aus Angst vor negativen Konsequenzen ihre Meinung nicht mehr öffentlich äußern, obwohl sie dazu das Recht hätten.“
Auch der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), Thomas Oberhäuser, sieht den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf kritisch: „Man muss schon sehr viel juristische Fantasie entwickeln, um das Setzen eines ‚Likes‘ als Verbreitung zu definieren.“ Auch sei für Laien oftmals nicht immer gleich auf Anhieb zu erkennen, ob es sich im Einzelfall um einen terroristischen Inhalt handelt oder nicht. Und die Ausländerbehörden würden sicher nicht im großen Stil nach „Gefällt mir“-Posts in sozialen Medien schauen können.

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Flugzeuge am Stuttgarter Flughafen. Foto: tünews INTERNATIONAL / Mostafa Elyasian.
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