Menschengemachte Katastrophen und die tünews-Redaktion

Von Wolfgang Sannwald
Terrorangriffe der Hamas gegen Israel und die Ermordung von Zivilisten, Erdbebenfolgen in Afghanistan, massenmörderischer Raketenangriff Russlands gegen die Ukraine, erneute Angriffe des syrischen Assad-Regimes auf Idlib: Am 7. und 8. Oktober 2023 war eines der Wochenenden voller Katastrophen – vor allem menschengemachter Katastrophen. Bei tünews INTERNATIONAL bemühen wir uns um meinungsfreie Meldungen und Berichte. Das gelingt in der Regel, weil wir das recherchieren und berichten, was geflüchteten Menschen, die in Deutschland leben, konkret bei der Bewältigung ihres Alltags hilft. Das heißt aber nicht, dass wir tagespolitische Themen nicht diskutieren, im Gegenteil. Unsere Redaktionssitzungen bieten einen geschützten Rahmen für offenen Austausch.
Bei der Redaktionssitzung am 10. Oktober 2023 überwogen Entsetzen und Mitgefühl mit den zivilen Opfern. Redaktionsmitglieder aus Syrien, dem Irak, dem Iran, Afghanistan, der Ukraine oder Deutschland stimmten überein: „Zivilisten beider Seiten müssen die Rechnung zahlen.“ Einerseits berichteten Redaktionsmitglieder aus Syrien, dass sie die Nachrichten zu Israel und Palästina nicht mehr verfolgen könnten, „unsere Herzen sind traumatisiert“. Andererseits sind Familienmitglieder und Freunde persönlich betroffen, in Idlib, im Gazastreifen. Ein Redaktionsmitglied hat von Samstag bis Dienstag fünf Familienmitglieder im Gazastreifen verloren. In Idlib leben Bruder und Familie eines anderen. Da gibt es ständig Fragen: Wie geht es euch, was passiert? Betroffene kommunizieren in jeder Arbeitspause. Zu Hause laufen bei manchen den ganzen Tag arabischsprachige Sendungen im Fernsehen. Verbindend sind die persönlichen Beziehungen, eigene Erlebnisse von Gewalt und Flucht – „wir wissen, wie das aussieht“.
Wer persönliche Bezüge in die Katastrophengebiete hat und das Geschehen in seiner Herkunftssprache mitverfolgt, äußert sich „überrascht“ über hiesige Medienberichte. Das ist ein großes Thema in der Redaktionssitzung: Zu welchen Konflikten und Katastrophen gibt es überhaupt Informationen in den Medien und welche Perspektive vermitteln die? Wir schauen gemeinsam Videoclips von arabischsprachigen Medien und Kanälen an, erhalten Übersetzungen. Es wird deutlich, dass da mindestens zwei grundsätzlich unterschiedliche Perspektiven in der Welt sind. In Deutschland sind vor allem Bilder und Filme aus israelischer Perspektive verbreitet, arabischsprachige Sender und soziale Kanäle vermitteln eine arabische Sicht. Viele Filme aus arabischsprachigen Quellen zeigen die Perspektive von Menschen in Gaza, die vor allem unter den Gegenangriffen der israelischen Armee leiden. Einzelne Redaktionsmitglieder fühlen sich von Berichten in deutschen Medien regelrecht provoziert, „weil sie nur eine Seite zeigen“. Drei von neun Anwesenden haben den Eindruck, dass sie in Deutschland ihr Mitgefühl und ihre Solidarität mit den Menschen in Palästina nicht frei äußern dürften. Dabei unterstützen sie nicht die Hamas. Es sei falsch, wenn Palästina und die Hamas gleichgesetzt würden.
Redaktionsmitglieder, die deutscher Herkunft sind, sind vor allem von den brutalen terroristischen Angriffen der Hamas gegen die israelische Zivilbevölkerung schockiert, beispielsweise dem Massenmord unter BesucherInnen des „Nature Party Festivals“ auf dem Gelände des Kibbuz Re’im nahe Gaza am 8. Oktober. In der Redaktionssitzung ging es auch um das Grundbekenntnis Deutschlands zum Existenzrecht des Staates Israel. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das als Staatsräson bezeichnet. Wer dieses Grundbekenntnis kennt, kann die Ausrichtung der Medien und vieler Menschen in Deutschland besser verstehen. Dieses Bekenntnis lässt sich aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ableiten. Ein Stück weit ist das Grundgesetz eine Reaktion auf den Massenmord an über sechs Millionen Menschen jüdischer Herkunft, den das von einer Mehrheit des deutschen Volkes 1933 legitimierte NS-Regime unter Einsatz staatlicher Machtmittel beging. Wer sich einbürgern lässt, bekennt sich zum Grundgesetz und dessen Grundprinzipien.
Ein Redaktionsmitglied nannte wenigstens eine gute Nachricht vom Wochenende: Die iranische Menschen- und Frauenrechts-Aktivistin Narges Mohammadi erhielt den Friedensnobelpreis. Allerdings: Sie ist seit drei Jahren im Iran in Haft.

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Symbol für den Frieden: die Taube. Foto: tünews INTERNATIONAL / Martin Klaus.
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