Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Griechenland

Zum zweiten Mal hat der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg das EU-Land Griechenland Anfang 2024 wegen Menschenrechtsverletzungen gegenüber schutzsuchenden Geflüchteten verurteilt. Das Ereignis liegt fast 10 Jahre zurück: Am 22. September 2014 wollte die griechische Küstenwache in der Nähe der Insel Pserimos ein Flüchtlingsboot stoppen und gab dabei 13 Schüsse auf das Boot ab. Ein syrischer Familienvater wurde im Kopf getroffen und starb nach monatelangem Koma. Ein Verfahren gegen die Verantwortlichen wurde in Griechenland eingestellt. Eine Anwältin von PROASYL erhob im Namen der Familie Klage beim EGMR und erhielt über neun Jahre später Recht: Griechenland wurde wegen eines Verstoßes gegen Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK (Recht auf Leben) verurteilt. Der Witwe und den Kindern wurde eine Entschädigung in Höhe von 80.000 Euro zugesprochen. Das Gericht rügte auch, dass die Ermittlungen der griechischen Behörden zu dem Vorfall unzureichend gewesen seien und gravierende Mängel aufwiesen.
Einen weiteren Fall gab es im Januar 2014 bei der Insel Farmakonisi. Damals wurde ein seeuntaugliches Flüchtlingsboot mit 27 Menschen an Bord in der östlichen Ägäis in Richtung Türkei geschleppt und bei dem Manöver so stark beschädigt, dass es kenterte. Elf Menschen sterben, die Überlebenden werden danach von Soldaten zeitweise festgesetzt und menschenunwürdig behandelt. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof verurteilte Griechenland im Juli 2022 sowohl wegen des Todes der Schutzsuchenden (Verstoß gegen Art. 2 der EMRK) als auch wegen unmenschlicher Behandlung (Verstoß gegen Art. 3 EMRK) und der mangelhaften Aufarbeitung durch die griechische Justiz (Verstoß gegen Art. 13 EMRK). Insgesamt wurden 330.000 € an Strafzahlungen verhängt.
Ein weiterer Fall vom Juni 2023 wird juristisch noch aufgearbeitet. Damals starben vor dem Küstenort Pylos Hunderte von Geflüchteten in einem kenternden Schiff, da die griechische Küstenwache keine Rettungsmaßnahmen einleitete. Es wird erwartet, dass auch dieser Fall beim EGMR landen wird.
PROASYL sieht in diesen bekannt gewordenen Fällen nur die „Spitze eines Eisbergs“, denn viele Fälle landeten überhaupt nicht vor Gericht. Die Organisation fordert daher die EU auf, „den EU-Rechtsstaatsmechanismus zu aktivieren sowie ein Artikel-7-Verfahren gegen Griechenland einzuleiten, um weitere Tote und Katastrophen zu verhindern“. Mit dem Rechtsstaatsmechanismus soll ein Verstoß gegen bestimmte Werte der EU finanziell geahndet werden können. Dieses Instrument wurde bereits gegen Polen und Ungarn eingesetzt. Mit dem Verfahren nach Artikel 7 zum Schutz der Grundwerte wird festgestellt, ob die Gefahr einer Verletzung der EU-Werte besteht oder bereits eine schwerwiegende Verletzung erfolgt ist. Als schwerste Sanktion sieht das Verfahren eine Aussetzung der Stimmrechte des Mitgliedstaates vor.
Weitere Informationen mit Links zu den Gerichtsurteilen:
Tote Geflüchtete als griechische Kontinuität: Von Farmakonisi über Pserimos nach Pylos | PRO ASYL

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Ein Stacheldrahtzaun. Foto: tünews INTERNATIONAL / Martin Klaus.

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