Das Ziel der „Frühen Hilfen“: Dem Kind soll es gut gehen

Von Ute Kaiser

Eltern werden und sein ist herausfordernd – vor allem, wenn die eigene Familie in einem weit entfernten Land wohnt. Was tun, wenn das Baby ständig schreit? Was, wenn die Muttermilch nicht reicht? Gehen wir richtig mit dem Beatmungsgerät beim Frühchen um? Wieso spricht das zweite Kind viel später als der ältere Bruder? Wie kann unser Kind mit einer Behinderung am besten gefördert werden? Oder: Wie können wir als Paar den stressigen Alltag gut bewältigen?
Fragen wie diese verunsichern Eltern von Kindern zwischen 0 und 3 Jahren. Unterstützung gibt ein Team von SozialpädagogInnen, PsychologInnen, KinderkrankenpflegerInnen und Hebammen der „Frühen Hilfen“ beim Jugend- und Familienberatungszentrum (JFBZ) für den Landkreis Tübingen. Die Vermittlung findet in den Jugend- und Familienberatungszentren Tübingen sowie in Mössingen und in Rottenburg statt. Ein Schwerpunkt der „Frühen Hilfen“ ist die gesundheitsorientierte Familienbegleitung – auch für geflüchtete Menschen.
Freiwillige, kostenlose und vertrauliche Unterstützung speziell für geflüchtete Familien gibt es im Landkreis an sieben Orten: in Ammerbuch, im Stadtgebiet Tübingen in der Sidlerstraße, der Hechinger Straße, dem Breiten Weg, im Horemer, in der Erstaufnahmestelle sowie in Rottenburg im Hammerwasen. Der intensivste Bedarf an Beratung mit den höchsten Vermittlungszahlen an geeignete Angebote ist in der vorläufigen Unterbringung. Das berichtet Kathrin Bischoff, Diplom-Pädagogin und Koordinatorin der „Frühen Hilfen“ beim Landratsamt. Sie weiß ebenso wie die Familien-, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin Elisa Wolff-Rutkowski um die Probleme der Geflüchteten: soziale Belastungen, fehlende Sprachkenntnisse, die schwierige Orientierung in einem fremden Kultur- und Versorgungssystem mit vielen Vorsorgeuntersuchungen besonders für Kinder, Existenzängste und unklare Bleibeperspektiven.
Elisa Wolff-Rutkowski hält unter anderem in den Unterkünften offene Elternsprechstunden ab. Sie ist auch in kultursensibler Beratung ausgebildet. Bei Sprachschwierigkeiten kann sie über die Caritas ÜbersetzerInnen anfordern. Bei manchen nicht so sensiblen Themen kann auch ein Mensch aus dem Umfeld der Familie diese Aufgabe übernehmen.
„Frühe Hilfen“ bedeutet, dass möglichst schnell Unterstützung angeboten wird, damit Schwierigkeiten nicht größer und vermeintlich unlösbar werden. Das Geld dafür kommt von einer Stiftung und vom Familienministerium in Berlin.
Ein Ziel eint alle MitarbeiterInnen der „Frühen Hilfen“: „Dem Kind soll es gut gehen“, sagt Elisa Wolff-Rutkowski. Das ist nicht (immer) leicht. „Viele Eltern haben große Selbstzweifel“, weiß Kathrin Bischoff aus Erfahrung. Elisa Wolff-Rutkowski erlebt immer wieder bei ihren Besuchen im Zuhause der Familien: „Manche haben hohe Ansprüche an sich als Eltern und überfordern sich.“
Für Besuche in der Familie sind bis maximal zum dritten Lebensjahr des Kindes bis zu vier Stunden pro Woche vorgesehen. Dabei kann über Themen wie Gesundheit, Entwicklung des Kindes, Erziehung, die Bewältigung des Alltags, aber auch die Fürsorge der Eltern für sich selbst gesprochen werden. Die Kinderkrankenpflegerin erklärt zum Beispiel, dass ein Kind nicht zu heiß gebadet werden darf, damit es keine Hautschäden bekommt. Im ersten Lebensjahr des Kindes können auch Familienhebammen eingesetzt werden. Sie unterstützen bereits in der Schwangerschaft werdende Eltern darin, auf die Geburt und das Baby gut vorbereitet zu sein. Die Gesundheitsfachkräfte beraten Eltern, wenn das Stillen nicht gelingt, das Baby viel weint oder wenig schläft.
Besonders medizinische Fachkräfte, so die Erfahrung von Katrin Bischoff, „genießen einen Vertrauensvorschuss und finden leichter Zugang zu den Familien“. Deshalb wird ihr Rat eher angenommen. Sie können außerdem für Eltern eines Kindes mit (drohender) Behinderung oder chronischer Erkrankung Lotsen im medizinischen System sein und zum Beispiel den ersten Besuch beim Kinderarzt begleiten oder den Kontakt zu ambulanten Pflegediensten herstellen.
Manche Babys brauchen teure Nahrung aus der Apotheke. Hier unterstützen die Fachkräfte von den „Frühen Hilfen“ bei den Anträgen auf Pflegezuschüsse. Und sie haben auch das Wohl von Geschwisterkindern im Blick. Je nach Bedarf vermitteln sie geeignete Unterstützungs-Angebote für sie.
Die SpezialistInnen wie Elisa Wolff-Rutkowski erleben die Familien in ihrem Alltag und sehen, welche konkreten Hilfen sie brauchen – etwa bei der Kinderbetreuung, in finanziellen und psychischen Krisen, im Haushalt durch externe Fachleute oder Verwandte. Wenn die präventiven „Frühen Hilfen“ nicht ausreichen, sondern intensivere Unterstützung nötig ist, stellen sie außerdem den Kontakt zu anderen Hilfsdiensten her.
In der Erstaufnahmestelle hat im Jahr 2023 das Angebot der „Frühen Hilfen“ 75 Familien erreicht. In den anderen Unterkünften, so die interne Statistik, wurden im selben Zeitraum 80 Familien begleitet. Insgesamt haben die MitarbeiterInnen der „Frühen Hilfen“ im vergangenen Jahr 376 Familien beraten, davon allein Elisa Wolff-Rutkowski 155 Familien in ihrer offenen Elternsprechstunde.
Kontakt zu den „Frühen Hilfen“ gibt es in Tübingen beim Jugend- und Familienberatungszentrum (JFBZ), Bismarckstraße 110, unter Telefon 07071 / 207 63 03 oder Mail an JFBZ-Tue@kreis-tuebingen.de, beim JFBZ Mössingen, Bahnhofstraße 5, unter Telefon 07071 / 207 63 33 und E-Mail JFBZ-Moe@kreis-tuebingen.de und beim JFBZ Rottenburg, Obere Gasse 31, unter Telefon 07071 / 207 63 63 und E-Mail JFBZ-Rbg@kreis-tuebingen.de

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Das Ampelmännchen signalisiert: bitte eintreten. Es hängt an einer Bürotür bei den „Frühen Hilfen“ im Jugend- und Familienberatungszentrum in der Tübinger Bismarckstraße 110. Foto: tünews INTERNATIONAL / Ute Kaiser.

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